Der große Unbekannte

Zwei Skipisten, kilometerlange Wanderwege, reichlich Ruhe und Natur: Der Erbeskopf ist eines der beliebsteten Naherholungsgbiete der Region - und mit rund 816 Metern die höchste Erhebung in Rheinland-Pfalz.

Erbeskopf. Zoe verdreht die Augen und blickt den steilen Hang hinauf. Gedehnt sagt die Siebenjährige: "Müssen wir schooon wieder hoch laufen?" Renate Spitzenberger nickt. "Wer auf den Gipfel will, muss bergauf gehen." Die Pädagogin vom Hunsrückhaus erkundet mit einer Kinder-Gruppe den Erbeskopf und bringt den Schülern dabei spielerisch den Umgang mit Karte und Kompass bei. Bis ganz nach oben geht es weit hinauf: Genau 816,32 Meter misst der höchste Berg in Rheinland-Pfalz. Erst im vergangenen Jahr haben Experten aus Koblenz den Erbeskopf neu vermessen - nachdem der Volksfreund mehrfach über die verschiedenen Höhenangaben auf Karten und in Büchern berichtet hatte.

Der Erbeskopf ist ein wichtiges Naherholungsgebiet und damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die umliegenden Gemeinden. Doch nur wenige weitgereiste Touristen finden den Weg hinauf zum Hunsrückhaus am Fuß der Skipiste, viele bleiben an der Mosel oder fahren in die Eifel. "Der Erbeskopf ist leider nicht der bekannteste Berg", sagt Daniel Thiel von der "Urlaubsregion Thalfang am Erbeskopf". Umso mehr Besucher aus Trier, dem Hunsrück, dem Saarland und der Pfalz nutzen die höchste Erhebung vor der eigenen Haustür für einen Ausflug. Während im Winter an manchen Wochenenden bis zu fünftausend Gäste aus dem gesamten Umland die zwei Skipisten und die Gasthäuser bevölkern, geht es in den Sommermonaten eher ruhig zu. Renate Spitzenberger kennt beide Gesichter des Erbeskopfs. "Ein Besuch ist das ganze Jahr lohnenswert. Und wer im Sommer kommt, hat mehr davon als nur Schnee."

Zoe hat sich inzwischen doch entschlossen, die steile Schneise in Angriff zu nehmen. Renate Spitzenberger hat oben eine Pause versprochen. Ein großer Teil des Erbeskopfs ist heute mit Fichten bewachsen. Preußische Forstleute haben den ursprünglichen Wald gefällt und die schnellwachsenden Fichten angepflanzt, um einen raschen Gewinn mit dem Holz zu erzielen. "So ein einseitiger Wald ist nicht gut, weil er nur wenigen Tiere eine Heimat bietet. Außerdem fallen bei einem Sturm viele Bäume um", erzählt Renate Spitzenberger ihren Schützlingen.

Die Pause gibt es kurz vor dem Gipfel am Gotteslob, einem kleinen weißen Stein, den man zwischen hohem Gras und dichten Brombeerranken schnell übersieht. Früher führte an dieser Stelle ein schmaler steiler Handelsweg zwischen Thalfang und Birkenfeld entlang. Hatten es die Kaufleute mit ihren schweren Lasten auf dem Rücken bis zu dieser Stelle geschafft, soll so mancher ein kurzes Gotteslob ausgerufen haben.

Noch ein letztes Mal die Himmelsrichtung mit dem Kompass anpeilen, noch ein kurzer Anstieg, dann hat die kleine Wandergruppe den Gipfel erreicht. Oben sieht es ziemlich trostlos aus: Die Natur erobert Schritt für Schritt das betonierte Plateau zurück. Hinter einem hohen Zaun liegt die Radarstation der Bundeswehr, die in Zeiten des Kalten Kriegs den Amerikanern zur Flugüberwachung diente. "Der Gipfel des Erbeskopfs soll in den kommenden Jahren modern umgestaltet werden", verspricht Tourismus-Experte Daniel Thiel. Dann wird auch Zoe bestimmt wiederkommen. Für heute hat sie genug: "Es war sehr schön, aber jetzt habe ich keine Lust mehr."

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