Der gute und der böse Piedler

Ich war bei der Vorbereitung dieser Kolumne auf der Spur des guten deutschen Verbs piedeln. Bei solchen Recherchen schaue ich natürlich auch in den Duden rein.

 Horst Schmitt.

Horst Schmitt.

Foto: (h_lalu )

Meine Verblüffung war groß: Piedeln steht nicht im Duden! Piedeln ist kein hochdeutsches Wort! Hätte ich nicht gedacht!
Dann also zu dem Mundartwort piedeln. Es bedeutet soviel wie mit den Fingerspitzen hantieren oder zeitraubende, oft nutzlose, Kleinarbeit verrichten. Kanns de mer maol dä Knoden lao obbpiedeln (kannst du mir einmal diesen Knoten auseinanderlösen). Mei Maan piedelt de ganzen Daach aonn seim Audo romm. (Mein Mann bastelt wenig produktiv den ganzen Tag an seinem Auto.) Wänn de suu weider piedelst, göffsde önn drei Daach nött feerdisch! (Wenn du so detailverliebt weiterarbeitest, wirst du niemals fertig!)
Abgeleitet vom Verb piedeln ist das Adjektiv piedelisch. Piedelisch ist alle Arbeit, die verzwickt ist. Zum Beispiel: Gardeineröllscher önn de Schinnen rönnmaachen (Gardinenröllchen in die Schienen einfädeln), Pärlen fir en Kätt obb e Faoden obbziejen (Perlen für eine Kette auffädeln) oder de Steijererkläong ausföllen (die Steuererklärung ausfüllen).
Wer das Piedeln zu einem Wesenszug macht, ist ein Piedeler.
Jetzt gilt es aber fein zu unterscheiden zwischen dem guten Piedler und dem bösen Piedler. Der gute Piedler ist der Bastler und Tüftler, sowie ein Mensch, der kniffelige Fragen löst. Dä Piedler haott su lang geknuselt, böss sein Auer widder gaang öss. (Der Bastler hat so lange herumprobiert, bis seine Uhr wieder lief.) Dau Piedler fönnds bestömmt raus, wie datt Regal zesammegebaut gewe moss. (Du Tüftler kannst die Bauanleitung für das Regal bestimmt lesen.)
Der böse Piedler, und bei ihm ist nun wirklich Vorsicht geboten, ist der Formalist oder der Kleinigkeitskrämer. Aon allem haott dä Piedler lao ebbes auszesätzen. (An allem hat dieser Pedant etwas auszusetzen.) Böss dä Piedler aom Ännd all Preise studört haat, waor alles verkaaft. (Bis der Kleinigkeitskrämer schließlich alle Preise verglichen hatte, war die Ware ausverkauft.)
Horst Schmitt ist Autor des Trierer Wörterbuchs, das im Trier-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich ist. Gemeinsam mit Josef Marx hat er über 10 000 Stichwörter in Hochdeutsch-Trierisch und Trierisch-Hochdeutsch zusammengetragen. Die beiden Autoren erläutern in unserer Kolumne "Trierisch balaawern" wöchentlich Besonderheiten der Trierer Mundart.

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