Der Kampf um die Plätze

Trier · Eigentlich wollte Alt-Oberbürgermeister Helmut Schröer seinen Rückblick auf die Stadtentwicklung der vergangenen 40 Jahre in einem einzigen Buch veröffentlichen. Nun erscheint Band 2 seiner "Trie-rer Weichenstellungen", und viele Themen sind noch längst nicht berücksichtigt. Aber die Konzentration auf das Thema "Plätze in Trier" zahlt sich aus.

Trier. Die Geschichte der Stadt Trier von 1970 bis 2000 lässt sich an nichts besser verfolgen als an der Gestaltung der großen Plätze. In der Nachkriegszeit waren sie alle zu Parkplätzen mutiert, und es dauerte 30 Jahre, sie für das städtische Leben wiederzugewinnen. Diese Zeit ist fast identisch mit der "Ära Schröer". Mehr als ein Vierteljahrhundert stand der CDU-Politiker an der Spitze der Stadt Trier, davon alleine 18 Jahre als OB. Da kommt viel zusammen an Erinnerungen, Bilanzen, Erläuterungsbedarf. Zumal fast jede Platzgestaltung in Trier zum Konfliktherd wurde - und manchmal auch zum kommunalpolitischen Kriegsschauplatz.
Kommunale Kriegsschauplätze


Die Farben am Petrusbrunnen auf dem Hauptmarkt, die Ungers-Architektur am Konstantinplatz, das "Entparken" von Stock- oder Paulusplatz: Stets gab es heftige Debatten in der Bürgerschaft. Und bei Viehmarkt, Domfreihof und Kornmarkt ging die teilweise jahrzehntelange Auseinandersetzung noch weit darüber hinaus.
Dass Helmut Schröer den Großteil seiner 245 Seiten diesen drei Mammut-Projekten widmet, ist also mehr als verständlich. Immerhin stand er jeweils im Feuer teils heftiger Gegenwehr. Sein Buch ist keine persönliche Abrechnung und - man mag es manchmal bedauern - kein Blick durchs Schlüsselloch auf die Interna der Stadtpolitik. Mit fast wissenschaftlich anmutender Akribie lässt er die Ereignisse Revue passieren, wertet unzählige Quellen aus - mit 280 Fußnoten hielte das Werk wohl auch einer Internetplattform zur Überprüfung von Doktor-Arbeiten stand. Wobei natürlich im Ergebnis immer darauf geachtet wird, dass die Schröer\'schen Positionen nicht zu kurz kommen.
Wenn der Alt-OB die Sache recht gelassen angehen kann, hat das auch mit der Macht der Bilder zu tun. Denn die dokumentieren in etlichen, fast genüsslich ausgebreiteten Vorher-Nachher-Vergleichen, dass das Stadtbild durch die Neugestaltung der Plätze nahezu überall gewonnen hat. Dazu kommt, dass die Trierer längst ihren Frieden mit den Plätzen gemacht und sie oft sogar, wie beim Domfreihof, regelrecht in ihr Herz geschlossen haben.
Schlammschlacht vor dem Dom

 Oberbürgermeister von 1989 bis 2007: Helmut Schröer.TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Oberbürgermeister von 1989 bis 2007: Helmut Schröer.TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter


Dabei tobte gerade vor dem Dom von 1990 bis 1995 eine Schlammschlacht unbegreiflichen Ausmaßes. Dass sich dort Menschen an Bäume anketteten, Künstler Dialoge mit Platanen führten, Protestler mit laufenden Kettensägen im Stadtrat herumfuchtelten, erscheint im Nachhinein kaum nachvollziehbar.
Schröer hielt damals unbeirrbar an seiner Position fest, auch wenn er nach der Abholzung mehrerer alter Bäume morgens in der Zeitung als Bürgermeinung lesen musste, es sei bedauerlich, dass man "die dafür verantwortlichen Verbrecher nicht mehr an den Platanen aufhängen kann". Wer da etwas tiefer in das Buch hineinliest, entdeckt Verletzungen, die solche Auseinandersetzungen auf diesem Niveau selbst bei einem Polit-Veteranen wie Schröer hinterlassen haben.
Nicht ganz so emotional, aber dafür um so langwieriger und städtebaulich bedeutsamer: Der 18 Jahre währende Kampf um den Viehmarkt, mit ebenso vielen Wendungen und Kurven wie der Lauf der Mosel. Da mischten sich verkehrspolitische Grundsatzstreitigkeiten um die Tiefgarage mit handfesten wirtschaftlichen Interessen der Stadtsparkasse, Denkmalschutzbelangen, juristischen Finessen und Bürgerwünschen zur Platzgestaltung. Dass dabei am Ende die Jüdemerstraße geopfert wurde, scheint bei Schröer ein gewisses Unbehagen hinterlassen zu haben. "Hätte manches besser durchdacht sein können? Hätte man nicht noch mehr auf Konsens setzen können?" - es bleibt bei rhetorischen Fragen. Ein Ausbund an Selbstkritik war der gebürtige Kölner auch zu Dienstzeiten nie.
So fällt denn auch der Rückblick auf den Verkauf des Palais Walderdorff für eine symbolische Mark an die Nikolaus-Koch-Stiftung eine Spur zu euphorisch aus. Nicht wegen der erfolgreichen Sanierung der einstigen Bruchbude, auf die er durchaus stolz sein kann. Aber sein Entwurf der Palais-Nutzung als Heimat für soziale Einrichtungen und Vereine hat mit der Realität anno 2011 nicht mehr viel zu tun.
Bisweilen fast fröhlich fallen Schröers Berichte von der Entscheidungsfindung am Kornmarkt aus. Da lässt sich einiges über die Eigenheiten kommunaler Entscheidungsprozesse herauslesen. Aber auch viel Erleichterung, dass es mit Hilfe einer aufmerksamen Öffentlichkeit gelang zu verhindern, dass abstrakte Stadtplanung den Trierern einen weiteren Architekturplatz aufnötigte. So hat die "Lust der Trierer an der Platzgestaltung" (Schröer) unterm Strich doch ein Happy End gefunden.
Trierer Weichenstellungen 2 ist im Paulinus-Verlag erschienen. Das Buch wird am Montag, 24. Oktober, um 19 Uhr der Öffentlichkeit vorgestellt - an passendem Ort: in der Schalterhalle der Sparkasse am Viehmarkt.

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