Der lange Abstieg des Moselaufstiegs

Mit dem heutigen Infoabend um 19 Uhr im IHK-Tagungszentrum (siehe Extra) taucht der Moselaufstieg vielleicht zum letzten Mal in einer größeren öffentlichen Debatte auf. Es scheint, als werde das Mammut-Projekt nach 30 Jahren endgültig ad acta gelegt - und damit eines der strittigsten Themen der Region.

Trier. Die neue rot-grüne Landesregierung hat den Moselaufstieg bei Trier für "verzichtbar" erklärt. Der TV zeichnet die Entwicklung nach.
Die Grundidee


Es begann 1980. Die Zeit, in der man noch von großen Verkehrsachsen träumte. Paris-Metz-Trier-Lüttich, Luxemburg-Trier-Koblenz-Frankfurt - so stand es stolz in den ersten Resolutionen. Auf dass der Raum Trier kein Hindernis werde im europäischen Verkehrsnetz, sollten zwei neue Straßenverbindungen her: die West-Umfahrung, im Volksmund Moselaufstieg genannt, und die Nord-Umfahrung, bald plakativ, wenn auch geographisch nicht ganz korrekt Meulenwald-Autobahn getauft. Zunächst kamen beide wie siamesische Zwillinge daher, aber bald tauchten bei der Nordumfahrung so viele bauliche, ökologische und finanzielle Unwägbarkeiten auf, dass sie - obwohl im Grunde das wichtigere Projekt - zeitweilig in den Hintergrund geriet.
Die Anstöße kamen vorwiegend aus Konz und Saarburg, auch von Kammern, Wirtschaftsverbänden und Unternehmen. "Autobahn gleich Wohlstand", galt noch als Lehrsatz.
Der politische Handel


Auf regionaler Ebene entstand ein Deal: Die Trierer unterstützten den Eifel-Lückenschluss und den Hochmoselübergang, Eifeler und Mittelmoselaner im Gegenzug den Moselaufstieg. Die Brüderschaft fiel nicht schwer: Finanzieren sollte alles ohnehin der Bund.
So kam der Moselaufstieg 1985 in den regionalen Raumordnungsplan. Es dauerte acht Jahre, bis ein entscheidender Schub kam: 1993 landete das Projekt im "vordringlichen Bedarf" des Bundesverkehrswegeplans, was es möglich machte, mit aller Kraft ein Raumordnungsverfahren voranzutreiben.
Die Frontstellung


Im Herbst 1994 ging es in die Endphase, aber zu diesem Zeitpunkt formierte sich auch entschiedener Widerstand. Bestand die Phalanx der Befürworter überwiegend aus Funktions- und Mandatsträgern sowie betroffenen Unternehmen, brachten die Gegner die Bürger auf die Straße. 3000 Demonstranten zogen im November 1994 von Igel und Zewen aus Richtung Bau-Trasse. Keine Öko-Freaks, sondern überwiegend Anwohner, begleitet von den örtlichen Musikkapellen.
Die Diskussion wurde hitziger, manchmal mit überraschendem Frontverlauf. Die Befürworter brachten sogar den örtlichen Gewerkschaftsbund auf ihre Seite, der mit den Arbeitsplätzen im Gewerbegebiet Eurener Flur argumentierte. Im Gegenzug erklärte der Geschäftsführer eines der größten dort ansässigen Unternehmen, man verspreche sich vom Moselaufstieg keinen nennenswerten Vorteil. In Konz gab es einen kuriosen "Plakate-Krieg" zwischen Bürgermeister Manns und Aufstiegs-Gegnern.
Der Promillebeschluss


Die Stadt Trier beschloss im Januar 1995 in einer denkwürdigen Sitzung mit einer Stimme Mehrheit die Unterstützung des Projekts. Sie kam von einem durch übermäßigen Alkoholgenuss sichtlich nicht mehr seiner Sinne mächtigen Ratsmitglied, das ursprünglich angekündigt hatte, gegen den Aufstieg zu stimmen, dann aber von seiner Fraktion coram publico "eingenordet" wurde. Dieser Tiefpunkt in der Trierer Stadtratsgeschichte wird bis heute als Geschäftsgrundlage für eine Zustimmung der Stadt zum Moselaufstieg ins Feld geführt. Dabei hatten Verkehrs-Analysen massive Zweifel an einem großen Entlastungs-Effekt für die Stadt Trier genährt.
Die rot-grüne Wende


Als dann der Bau ein paar Jahre später so nahe schien wie nie zuvor, kam 1998 die rot-grüne Koalition in Bonn dazwischen. Die Prioritäten wurden anders gesetzt. SPD-Finanzstaatssekretär Karl Diller, nun einflussreichster Politiker der Region, brachte das taktische Kunststück fertig, den Moselaufstieg nie grundsätzlich in Frage zu stellen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass andere Projekte aus dem Großraum in der Finanzierungsliste des Bundes vorgezogen wurden.
So geriet der Moselaufstieg erst auf die lange Bank und dann, 2003, ins Abseits. Er verschwand aus der höchsten Prioritätsstufe des Bundesverkehrswegeplans, wegen einer laut Bund miserablen Kosten-Nutzen-Relation. Dabei wurden neue Kostenschätzungen veröffentlicht: 45 Millionen für den Moselaufstieg, 120 Millionen für die zwangsläufig folgende Nordumfahrung - so viel in Euro, wie einst in D-Mark prognostiziert wurde.
Das Aus vor Gericht


2005 hoben alle Gerichts-Instanzen das fertige Planfeststellungsverfahren auf, weil in absehbarer Zeit keine Realisierung zu erwarten sei. Eine Neuplanung ist aber nicht möglich, weil für Projekte, die nicht in der höchsten Bedarfsstufe sind, keine Planungs-Mittel ausgegeben werden dürfen. 2007 gab es in Trier Überlegungen für eine Direkt-Verbindung zur Luxemburg-Autobahn, die sich aber als Windei entpuppten. Die vom Land nur halbherzig betriebene Wiederaufnahme der Westumfahrung in den vordringlichen Bedarf im Jahr 2010 scheiterte.
Seither ist der Moselaufstieg eine Art Toter auf Urlaub, der in Wahlkampfzeiten gerne belebt wird. Nun scheint es, als wolle ihn die neue Landesregierung endgültig beerdigen.Meinung

Rückschlag im Kampf um Entlastung
Der Verkehr in Trier ist eine Katastrophe und wird es auch noch viele Jahre bleiben. Der Moselaufstieg hätte in Kombination mit der Nordumfahrung das tägliche Chaos am Moselufer, im Alleenring, auf der Luxemburger Straße und anderen Hauptverkehrsadern nicht restlos beseitigt, aber gemildert. Weniger LKW, die sich durch die engen Spuren der Trierer Straßen quetschen. Weniger genervte Autofahrer, die zur Schleichfahrt durch Trier gezwungen werden. Weniger Lärm, Abgase, Feinstaubbelastung und Unfälle. Der Moselaufstieg hätte Natur und Landschaft belastet, das kann niemand bestreiten. Doch daran ist die Westumfahrung nicht gescheitert. Sie wurde ein Element im politischen Machtkampf, ein emotionaler Trumpf im Kampf um Wählerstimmen und ein Bauernopfer für den Koalitionspartner. Und jetzt? Geradezu unglaublich dreist sprechen die politisch Verantwortlichen von einem neuen Konzept. Alles muss zurück auf Null. Die Autofahrer in und um Trier müssen sich eben noch ein paar Jahrzehnte gedulden. Eine realisierbare Lösung des Trierer Verkehrsproblems - und das war die Verbindung von West- und Nordumfahrung - hat keiner auf dem Schirm. Das grüne Utopia einer vernünftig werdenden Gesellschaft, die auf Bus, Bahn oder Rad umsteigt, wird nicht eintreten. Trier wird als Oberzentrum, Universitäts- und Touristenstadt immer im Verkehr versinken. Deshalb braucht die Stadt Projekte, die diesen Verkehr in zumindest erträgliche Bahnen lenken. Das Ende des Moselaufstiegs ist wahrhaftig kein Triumph der Vernunft, sondern ein extremer Rückschlag im notwendigen Kampf um eine solche Entlastung. j.pistorius@volksfreund.de Im Bundesverkehrswegeplan 2015 wird der Moselaufstieg nicht drin sein. Bis zur übernächsten Fortschreibung nach 2020 sind alle Planungsgrundlagen derart veraltet und obsolet, dass man wieder auf dem Nullpunkt beginnen müsste. Der Moselaufstieg ist tot, und das ist gut so. Die manische Fixierung auf dieses Projekt hat ein Vierteljahrhundert lang jede pragmatische Verbesserung der miserablen Verkehrslage in und um Trier blockiert. Die Moselbrücke bei Mertert, die Streckenverbesserung der vorhandenen Nord-Umfahrung, die Neuplanung der Ehranger Brücke, die Erweiterung des Nadelöhrs auf der Bitburger, die Ertüchtigung des ÖPNV im Moseltal und Richtung Luxemburg: vernachlässigt, ignoriert, auf die lange Bank geschoben. Damit der Druck im Kessel bleibt in Sachen Moselaufstieg. Die Luxemburg-Pendler als Schachfiguren in einem Machtspiel. Zur Erinnerung: Als der Moselaufstieg geplant wurde, gab es sie noch gar nicht. Später waren sie ein willkommenes Alibi. Man hätte längst vieles verbessern können. Aber dann wäre am Ende die Notwendigkeit der Westumfahrung in Frage gestellt worden - und das war unerwünscht. Dabei war der Nutzen dieses Mammut-Projektes - abgesehen von handfesten Vorteilen für Konz und das Gewerbegebiet Trierer Süden - nie mehr als eine Glaubensfrage. Und zwar eine teure. Der Moselaufstieg hat ohne Meulenwald-Autobahn keinen Sinn. Dazu kommen unvermeidliche Maßnahmen wie eine Ortsumgehung Zewen. Kalkuliert man die üblichen (!) Preissteigerungen bei Großprojekten ein, reden wir am Ende mindestens über eine Viertelmilliarde Euro. Wer will das ernsthaft verantworten? d.lintz@volksfreund.deDie Stadt Trier organisiert eine Informationsveranstaltung zu Moselaufstieg, Meulenwald-Autobahn und Verkehrsentlastung. Termin: Montag, 16. Mai, 19 Uhr im Tagungszentrum der Industrie- und Handelskammer Trier, Herzogenbuscher Straße. Gedacht ist der Abend zur Beteiligung der Bürger und als Beitrag zur Meinungsbildung von Stadtvorstand und Politik. Zum Ablauf: Auf eine Expertenanhörung folgen eine Podiumsrunde und eine breite Diskussion. jp/cus

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