Der lange Weg zum Luxusgut

Vom Massen- zum Spitzenprodukt - unter der Führung des Verbands Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) haben sich Moselweine zum Luxus-Exportschlager entwickelt. Der VDP blickt 2010 auf eine 100-jährige Geschichte zurück. Das Weingut Fritz Haag aus Brauneberg ist seit Anfang an dabei.

Trier/Brauneberg. "Wir liefern heute in die ganze Welt, so wie wir früher ins Nachbardorf geliefert haben", sagt Wilhelm Haag. Geübt schwenkt er sein Weinglas, schlürft den goldenen Inhalt über die Lippen - alles in flüssiger Bewegung. Auf dem Tisch steht eine Flasche mit dem weißen Etikett des Weinguts Fritz Haags, am Hals ist ein schwarzes Logo zu sehen. Es ist der Adler des Verbands Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP).

Haag kippt die Flasche leicht: "Dieses Logo macht die Leute einfach heiß" - egal, ob in Australien, den USA oder Japan. Der VDP hat den Moselwein in den vergangenen 100 Jahren zu einem Luxus-Exportschlager gemacht - ein Gewinner der Globalisierung. Dieses Wort mag der 73-jährige Haag aber nicht: "Ich bin da eher konservativ."

Wenig konservativ zeigte sich der Verband am Anfang seiner Geschichte: 1910 wurde der VDP als Verband deutscher Naturweinversteigerer (VDNV) gegründet und verschrieb sich dem Handel mit ausschließlich naturreinen Weinen. Damit lief der Verband gegen den Trend: Schon damals war es üblich, dem Traubenmost Zucker zuzusetzen, um den Alkoholgehalt zu erhöhen.

"Von der Idee her war das fast schon eine Biobewegung", sagt Wilhelm Haag, dessen Weingut zu den Gründungsmitgliedern des Verbands gehörte. Hinter der Idee stand aber auch wirtschaftliches Kalkül: Mit den rigorosen Qualitätsansprüchen sollte sich der Wein aus Rheinland-Pfalz von der Masse abheben. Das gab vor allem den Weingütern an der Mosel einen Schub, die wie die Haags mit ihrer aufwendigen Steillagenbewirtschaftung, langen Reifezeiten und kleinen Betriebsgrößen ohnehin schon kein Massenprodukt produzierten. Und da der Verband auch die regionalen Weinversteigerer - darunter auch der "Große Ring" Mosel-Saar-Ruwer - zusammenfasste, wurde auch die Konkurrenz der Anbaugebiete zwischen Saar und Main vermindert.

Die Folge: Die VDNV-Weine waren schon damals die teuersten deutschen Tropfen. So kostete ein Fuder Moselwein, etwa 1000 Liter, laut einer Broschüre aus dem 1916 zur Trierer Weinversteigerung im katholischen Bürgerhaus im Schnitt 2619 Goldmark - das entspricht rund 13 000 Euro. Den Höchstpreis für ein Fuder erzielte im Jahr 1926 eine Herrenberger Trockenbeerenauslese vom Weingut Maximin Grünhaus/Ruwer. Dass das New Yorker Luxushotel Waldorf Astoria dafür 100 000 Goldmark, also rund 500 000 Euro, bezahlte, zeigt, dass der Moselwein ein globalisiertes Luxusprodukt geworden war.

Um solche Preise zu erzielen, war professionelles Marketing nötig. Schon in der Broschüre von 1916 wird gegen das abwertende, aber verbreitete Image des "Modeweins" vorgegangen. Zudem wurde das Bild vom "sehnigen, zähen und hoffnungsvollen" Moselwinzer geprägt, der Wein erhielt die Attribute "leicht, duftig und blumig". Das wirkt bis heute nach, wenn Wilhelm Haag über seinen Wein spricht: "Unser Wein regt zum Gespräch an und macht nicht müde. Er ist leicht, zart und fruchtig."

Die klare Linie war vorgegeben: Doch in der Not machte sogar der strenge VDNV Ausnahmen. Während der Weltwirtschaftskrise und den Umsatzeinbrüchen in den 50er Jahren - als die Wirtschaftswunderwelt wieder süßen Wein wollte -, durften die Mitglieder auch "verbesserte" Weine verkaufen.

Nach Überwindung der Süßwein-Krise wurden die Regeln aber wieder verschärft: Kontrollen wurden eingeführt, um die Anlage von Weinbergen, die Auswahl der Rebsorten und die Einrichtung der Keller zu überprüfen.

Mit der Gründung des Verbands der Prädikatsweingüter im Jahr 1971 wurden die Anforderungen an die Mitgliedschaft erhöht. Seit 1991 verfolgt der heutige Verband der Prädikats- und Qualitätsweingüter wieder den Weg des naturgemäßen Weinbaus. "Das bedeutet Mengenreduzierung sowie eine Änderung bei den Anbaumethoden und der Schädlingsbekämpfung. Das waren finanzielle Einbußen", sagt Haag.

Diese Investition hat sich für das Weingut Haag aber schnell ausgezahlt. Mitte der 90er stieg die Nachfrage nach dem Wein aus Brauneberg stark. Heute reist Oliver Haag, seit 2005 Chef des Betriebs, zu Weinmessen nach Hongkong und macht sich Gedanken darüber, welcher Wein zu den scharfen Speisen der Asiaten passt. Der VDP hat den Weg bereitet - vom Moselörtchen ins globale Dorf. Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) wurde 1910 als Verband der Naturweinversteigerer (VDNV) gegründet. Bis dahin war es üblich, dass die renommierten Weingüter ihren Wein selbst versteigerten. Der VDNV organisierte gemeinsame Versteigerungen und legt gemeinsame Qualitätskriterien fest. 1971 wurde der VDNV in Verband Deutscher Prädikatsweingüter umbenannt. 1982 folgte der Zusatz Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter. Heute fungiert der VDP als weltweiter Vermarkter und kontrolliert alle fünf Jahre, ob seine Mitglieder die Qualitätskritierien erfüllen. Diese umfassen nicht nur den Anbau des Weins im Einklang mit der Natur, sondern auch die Wirtschaftlichkeit und die Philosophie eines Betriebes. Einer Aufnahme in den Verband geht eine umfangreiche Betriebsprüfung voraus. Jedes Jahr bewerben sich eine handvoll Weingüter um die Zulassung. Der Mitgliedsbeitrag staffelt sich unter anderem nach einem Basissatz und der Größe der Anbaufläche. Bei einem mittelgroßen Betrieb (13 Hektar) beträgt der Jahresbeitrag mehrere Tausend Euro. Der Jahresumsatz eines VDP-Betriebes beträgt 1,2 Millionen Euro pro Jahr. (pwr)

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