Der letzte Zisterzienser

Großlittgen · Er ist 83 und voller Tatendrang: Pater Stephan Senge, der nach dem Rückzug der Zisterzienser trotzdem im Eifeler Kloster bleibt.

Großlittgen Es ist kühl, regnet leicht. Doch Pater Stephan Senge spaziert in Sandalen ohne Strümpfe durch den Klostergarten. "Ist doch warm heute", sagt der 83-Jährige lachend. "Strümpfe, Kämme, Pullover und Mäntel. Das braucht man alles nicht." Ebenso wenig wie Handtücher nach dem Eintauchen in den Teich, meint er. Wie bitte? Ja, ein kurzes Bad draußen nehme er "Winter wie Sommer", auch um sich fitzuhalten. "Wenn das Eis nicht zu dick ist, dann kann ich es noch zerschlagen." Danach noch ein bisschen laufen: "Dann wird man vom Wind schon wieder trocken."
So, wie er weiß, worauf er gut verzichten kann, weiß er auch genau, was er braucht - und wo er hingehört. "Hier ist mein Zuhause", sagt der Priestermönch im Kloster Himmerod Auch wenn sein Orden, die Zisterzienser, den Konvent im Kloster Ende September aufgelöst haben (der TV berichtete mehrfach): Bruder Stephan, wie er lieber genannt werden will, bleibt. Als letzter Zisterzienser-Mönch. "Auch wenn die Gemeinschaft als solche nicht mehr da ist, das Leben hier geht weiter."
Denn das Kloster ist eine beliebte Anlaufstelle mit dem Gästehaus, der Kirche, der Kapelle, dem Klosterladen und dem Gastronomiebetrieb. "Menschen kommen, um zu beten, zu singen, zu reden, zu schweigen, zu feiern. Und ich bin gerne dabei", sagt Bruder Stephan, der seit 60 Jahren in dem Kloster lebt. Das Kloster geht nun in den Besitz des Bistums über.
Die Gastfreundschaft des "geistlichen Ortes" Himmerod soll auch künftig erhalten bleiben, sagt die Sprecherin des Bistums, Judith Rupp. Wie genau, das werde derzeit noch geklärt. Für Bruder Stephan, der sich auch als Autor von religiöser Prosa und Lyrik einen Namen gemacht hat, ist klar: "Ich glaube, wenn fast 900 Jahre lang hier gebetet und gearbeitet wird, das strahlt aus. Das setzt sich in den Mauern fest." Das sei der Grund, warum der Ort für viele eine Art Zuhause sei. Man merkt es, es weht ein etwas anderer Geist in der mächtigen Klosteranlage. "Wir beten viermal am Tag", sagt Bruder Stephan. Und viel mit Bewegung. "Wir sind beim Gottesdienst unterwegs, wir bleiben nicht an einer Stelle", erzählt er. Mit Lichtern und kleinen Texten ziehen die Betenden umher, machen Station im Kreuzgang. "Ich finde es wichtig, dass da Dynamik drin ist. Nicht, dass da einer vorne steht und die anderen sitzen und hören zu."
Deshalb sitzt der Priester auch. Morgens in der Kapelle hat er seinen Platz - vor dem Altar. Auf einem kleinen Teppich auf den Steinen. Ohne Strümpfe. "Wir lesen und singen Psalmen, geben kleine Lichter herum." Wo er Gott sehe? "In der Begegnung mit Menschen, im Gebet, im Gespräch. Glaube ist für mich immer Beziehung." Die man immer wieder neu aufnehmen könne. "Für mich ist fast das einzige Gebet nur der Name Jesus. Da ist alles drin: Der Partner hört sofort am Ton, wenn was los ist." Unglück, Leid, Hoffnung oder Sehnsucht. Dass sich die Zisterzienser aus Himmerod zurückgezogen haben, wo doch einst mal um die 20 Brüder dort lebten, betrachtet er nüchtern. "Ich bin der Meinung, dass jede Gemeinschaft gewisse Zeiten hat, wo sie aktuell ist. Und es gibt Zeiten, wo sie nicht mehr aktuell ist." Es gebe aber auch immer wieder neue Bewegungen: "Der Heilige Geist erfindet uns immer wieder." Und das sei nun die Herausforderung für Himmerod: "Jetzt sind wir eben im Jahr 2017, und es geht anders weiter. Man muss auch mittun", meint der gebürtige Hannoveraner.
Vier Mitbrüder von Stephan sind bereits in anderen Klöstern in Deutschland untergekommen, der ehemalige Abt der Abtei, Pater Johannes Müller, wird das Kloster Ende des Jahres verlassen und eine Arbeit in der Nähe von Dresden aufnehmen. Ob Bruder Stephan nicht einsam ist? "Nein, in keinster Weise. Ich habe noch Programm mindestens für die nächsten zehn Jahre", sagt er lachend.
Dazu gehört auch sein Einsatz für den Sudan. Vor rund 20 Jahren hat Stephan Reimund Senge, wie er mit ganzem Namen heißt, die Initiative Sudan/Südsudan gegründet, vor allem um Schulen zu gründen und Bildung zu unterstützen. Jedes Jahr ist er mehrere Wochen vor Ort, auch um dort in der Seelsorge zu arbeiten. "Frieden lernt man nur, wenn man in die Schule geht und mit anderen zusammen ist." Nie, nicht mal eine Sekunde, habe er in seinem Leben bereut, Mönch geworden zu sein. "Das war genau richtig für mich. Ich habe niemals gezweifelt." 1955 war er zum ersten Mal in Himmerod - mit einer Jugendgruppe. Da habe ein ehemaliger Mitbruder gesagt: "Da oben sind noch Zimmer frei." "Und er hat genau auf das Zimmer gezeigt, in dem ich jetzt seit mehr als 60 Jahren wohne." Da bleibe er nun, bis er in "die ewige Wohnung" zu Gott umziehe. "Da warten schon viele Freunde auf mich."

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