Der Platz der Emotionen

Obwohl Berthold Mertes seit 1997 nicht mehr in Trier wohnt, kommt der Läufer und Begründer des Trierer Silvesterlaufs noch regelmäßig in die Heimat zurück. Dann ist der Besuch des Hauptmarktes für den 48-Jährigen obligatorisch: Hier wuchs er auf und erlebte einzigartige Momente. Hier fällt dieses Jahr zum 22. Mal der Startschuss für den Trierer Silvesterlauf.

"Mein mit Abstand liebster Ort in Trier ist die Innenstadt und ganz besonders der Hauptmarkt. Wenn ich in Trier zu Besuch bin, fahre ich eigentlich nie fort, ohne mindestens einmal dort gewesen zu sein.
TV-Serie Mein Zuhause


Für mich ist der Hauptmarkt so etwas wie mein Wohnzimmer, denn dort bin ich regelrecht groß geworden. Mein Elternhaus steht in der nahe gelegenen Dietrichstraße, so dass ich die ersten 20 Jahre meines Lebens so gut wie jeden Tag auf dem Hauptmarkt unterwegs war. Als Kind habe ich dort beim Rosenmontagszug die Kamellen vom Boden gesammelt, als Jugendlicher habe ich am Marktkreuz gesessen und das Leben und die Menschen um mich herum beobachtet. Ja, sogar mein Schulweg zum Max-Planck-Gymnasium führte mich von 1973 bis 1982 täglich über den Hauptmarkt.
Fans feiern den WM-Titel 1990


Darüber hinaus verbinde ich mit dem Hauptmarkt sehr viele schöne Momente und erinnere mich auch gut an meine erste Kommunion in der Marktkirche. Das war 1971. Bis heute habe ich noch das damalige Pflaster mit dem Rautenmuster aus roten und weißen Steinen genau vor Augen, auch nach all den Jahren habe ich diesen Anblick nicht vergessen.
Der Hauptmarkt ist für mich der Platz der Emotionen in Trier. An Silvester, beim Altstadtfest oder bei Großereignissen wie der Fußball-WM zieht es immer Tausende Menschen hierher, die zusammen feiern und Spaß haben. Da kommt sonst nur noch das Moselstadion mit, in das mich mein Vater zur Eintracht mitnahm, als ich noch ein Pimpf war, und wo ich in späteren Jahren Tausende Trainingsrunden gedreht habe.
Ein unvergessliches Erlebnis, welches mir bis heute eine Gänsehaut über den Rücken jagt, war übrigens der Tag des WM-Endspiels 1990. Als TV-Sportredakteur berichtete ich aus dem damals noch im Stadtzentrum beheimateten Volksfreundhaus. Als mein Kollege Wolfgang Rommel und ich anschließend auf den Hauptmarkt kamen, feierten die Trierer gerade den 1:0-Sieg gegen Argentinien. Ich werde nie das Bild vergessen, wie ein Fan oben auf dem Marktkreuz saß und unter frenetischem Jubel eine Deutschlandfahne schwenkte.
Natürlich ist der Hauptmarkt auch ganz eng mit meinem inzwischen erwachsenen "Baby", dem Trierer Silvesterlauf, verknüpft. 1990 veranstalteten mein Freund Christoph Güntzer und ich ihn zum ersten Mal. Wahnsinn, was bis heute daraus geworden ist: Inzwischen verwandelt sich der Hauptmarkt an Silvester immer in eine riesige Sportarena mit Läufergrößen aus der ganzen Welt.
Gebrselassie als Höhepunkt


Der bisherige Höhepunkt war das Jubiläum vor zwei Jahren, als der äthiopische Langstreckenstar Haile Gebrselassie bei der 20. Auflage vor rund 20 000 Zuschauern hier an den Start ging. Ich bin mir sicher, dass dieser Auftritt des Weltstars in meinem Wohnzimmer nicht nur mir, sondern vielen Menschen in dieser wundervollen Stadt einen einzigartigen Moment beschert hat."

Aufgezeichnet von Beate Kerpen

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort