Der Ruf nach den Lokalpatrioten

Trier · Die Innenstadt braucht Händler, die auch direkt aus Trier stammen - diese These des Christdemokraten Karl Biegel läuft wie eine Welle durch Trier und wirbelt die Grundsatzdebatte um den Wert von waschechten und zugezogenen Bewohnern der Porta-Nigra-Stadt wieder an die Oberfläche.

Es war eine heiße Diskussion, und sie drehte sich um die Zukunft des Trierer Einzelhandels. Angesichts der drohenden Konkurrenz durch vier neue Einkaufszentren in Luxemburg (der TV berichtete) machte Karl Biegel seinem Herzen Luft. "Wir müssen Wert legen auf Händler, die aus Trier kommen und am besten hier geboren sind, denn diese haben die nötige Verbundenheit zur Stadt", betonte der für die CDU im Stadtrat sitzende und im Vereins- und Kulturleben seines Stadtteils Euren enorm aktive Biegel gegenüber Wirtschaftsdezernent Thomas Egger (FDP) und dem Dezernatsausschuss III. Seitdem ist die Hölle los.

Biegel hätte es kommen sehen können, denn Diskussionen über echte und zugezogene Trierer haben in der Römerstadt immer schon hohe Wellen geschlagen. Nie war die Leserbeteiligung an einer TV-Aktion höher als 2001 - dem Jahr der Serie "Was ist ein Trierer?" Waschkörbe voller Zuschriften trafen in der Redaktion ein.

Mit seiner These hat auch Biegel diesen Knopf gedrückt. Zustimmung findet er allerdings nicht. Im Gegenteil: Alle widersprechen ihm. Die zugezogenen, aber schon seit Jahrzehnten in Trier ansässigen Händler. Die neu dazugekommenen Händler. Und die in Trier geborenen Händler.

Der Zugereiste: Georg Kern, Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der Trie rer City-Initiative, kam einst aus Ulm. Er führt das Musikhaus Reisser in der Fleischstraße seit 1976 als Geschäftsführer, 1983 übernahm er das Unternehmen von Werner Nonnenberg. "Es ist schlicht falsch, dass nur ein in Trier Geborener die nötige Verbundenheit mit der Stadt haben kann", sagt Kern mit kaum gebremstem Zorn. In der Politik seien es gerade die Nicht-Trierer gewesen, die durch ihr Wirken die positive Entwicklung der Stadt maßgeblich beeinflusst hatten. Kern nennt die früheren Oberbürgermeister Helmut Schröer (Köln) und Carl-Ludwig Wagner (Düsseldorf) sowie den SPD-Veteranen, früheren Bundestagsabgeordneten und Staatssekretär Karl Haehser (Bielefeld). Die Nicht-Trierer, so Kern, verhalfen auch der City-Initiative zum Durchbruch. "Karstadt, Kaufhof und Sinn-Leffers stellten viele Vorstandsmitglieder und schafften durch ihr finanzielles Engagement erst die Grundlage für die erfolgreiche Arbeit."

Der Vielgereiste: Christoph Höptner ist ein Paradebeispiel für die Händler-Spezies, die absolut nicht Biegels Profil entspricht. Der Centermanager der vor zweieinhalb Jahren eröffneten Trier-Galerie war bisher in 13 Städten beruflich aktiv. "Ich sehe es genau andersrum", sagt Höptner. "Gerade der häufige Wechsel und die Notwendigkeit, sich immer wieder an neue Marktbedingungen anzupassen, haben mir Blickfelder und Kompetenzen verliehen, von denen heute die Galerie und auch der Trierer Markt profitieren."

Der in Trier Geborene: Mehr Händler wie Christoph Heinemann braucht die Stadt - wenn es nach Karl Biegel geht. Der Geschäftsführer der gleichnamigen Wäschegalerie in der Brotstraße ist gebürtiger Trierer. "Aber ich verstehe die These trotzdem nicht", sagt er.

"Der Einzelhandel in der Innenstadt unterliegt doch einer großen Fluktuation. Es kommen immer wieder neue Händler nach, und das ist doch gut so." Die Nachrücker füllen nicht nur die im Lauf der Zeit entstehenden Lücken, sondern bringen auch neue Impulse mit. Heinemanns Fazit: "Herr Biegel hat es nett gemeint, aber er hat nicht recht."

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Meinung

Die Gäule gingen ihm durch

Die Furcht vor Heuschrecken hat längst auch den Wirtschaftsstandort Deutschland gepackt. Skrupellose Investoren, die ohne jede lokale Bindung den schnellen Profit suchen, weiterziehen und verbrannte Erde hinterlassen, sind tatsächlich reale Bedrohungen einer gesunden Marktentwicklung. Aber gerade Trier ist, die gleichnamige Karnevalsgesellschaft möge das Wortspiel verzeihen, eine Heuschreck-freie Zone. Die Trierer Händler ziehen fast zweieinhalb Mal so viele Kunden an, wie ihre Stadt Einwohner hat. Das ist ein bundesweiter Spitzenwert und außerdem kein Zufall. Der hohe Versorgungsindex ist das Ergebnis eines enormen Engagements und einer präzisen Nutzung der Marktlage. Diese erlaubt es seit Jahren zwei Kaufhöfen und einem Karstadt-Haus, in Steinwurfweite voneinander zu existieren. 2008 kam die Trier-Galerie dazu - sie zerstörte die Innenstadt-Attraktivität nicht, sondern steigerte sie. Karl Biegel, selbst Geschäftsführer einer Computerfirma, weiß das wohl auch. Dennoch ließ ihm die Furcht vor den Heuschrecken die Gäule durchgehen. Mit seiner These liegt der CDU-Mann völlig daneben - abhaken, verzeihen, weitermachen. j.pistorius@volksfreund.de

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