Der Sarg stirbt aus

Trier · Eine Tradition neigt sich dem Ende zu: Die Zahl der Sargbestattungen geht immer weiter zurück. Die Folge: Auf den 17 städtischen Friedhöfen gibt es immer mehr Freiflächen, deren Pflege teuer ist.

Trier. Zu viel Friedhof für zu wenige Särge. So könnte man nüchtern die Situation auf den städtischen Gräberfeldern beschreiben. Denn die Zahl von Sargbestattungen ist auch im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen. Urnenbeisetzungen werden dagegen immer häufiger. Machte 2010 der Anteil der Begräbnisse, bei denen Särge in Friedhofserde eingebettet wurden, schon nur noch 37, 5 Prozent aus, sank der Wert 2011 weiter auf 33 Prozent.
Gestiegen sind im gleichen Maße Urnenbeisetzungen: 2010 belief sich deren Anteil noch auf 62,5 Prozent, 2011 wurde bereits mehr als jeder dritte Tote (67 Prozent) verbrannt. Und ein Ende des Trends zur - unter anderem viel kostengünstigeren - Urnenbeisetzung ist nicht absehbar. Die Folge: Weil Urnengräber sehr viel kleiner sind als Sarggräber, mehren sich auf den 17 städtischen Friedhöfen die Lücken. Die ungenutzten Freiflächen werden immer größer.
Aus den Gebühren, die Angehörige bei einer Bestattung an die Stadtverwaltung bezahlen müssen, lassen sich die Kosten für die Pflege der Friedhöfe schon längst nicht mehr decken. 2008 erwirtschaftete die Stadt ein Minus von rund 850 000 Euro. Dabei müssen Kosten, die direkt mit Bestattungen zu tun haben, laut Gemeindeordnung vollständig aus Gebühren gedeckt werden. Deshalb hob die Stadt 2010 die Bestattungsgebühren kräftig an.
Um die Kosten für die Angehörigen nicht ins Unendliche steigen zu lassen, hat die Stadtverwaltung allerdings eine weitere Änderung festgelegt: Auf den Friedhöfen werden Freiflächen angelegt, auf denen keine Begräbnisse mehr stattfinden. Solche Freiflächen können als "öffentliches Grün" deklariert werden, dessen Pflege wiederum nicht aus den Bestattungsgebühren, sondern aus dem allgemeinen städtischen Haushalt finanziert werden kann. 2011 belief sich die Summe dafür auf knapp 324 000 Euro.
Ob es bei der Bewirtschaftung und Pflege der Begräbnisflächen trotz Anstiegs der Bestattungsgebühren noch ein Defizit gibt, kann die Stadtverwaltung bislang nicht sagen: "Die Betriebsabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 liegen noch nicht vor", erklärt Presseamtsleiter Hans-Günther Lanfer auf TV-Anfrage.
Fest steht dagegen für die zuständige Dezernentin Simone Kaes-Torchiani etwas anderes: "Unstrittig ist, dass im Hinblick auf die Bestattungszahlen die Stadt Trier zu viele Friedhofsflächen auf zu vielen Friedhöfen bewirtschaftet."
Dabei hatte der Stadtrat bereits im Jahr 2004 prüfen lassen, ob und welche städtischen Friedhöfe stillgelegt werden könnten. Das Ergebnis des Gutachtens, das 2008 vorlag: Wirtschaftlich sinnvoll wäre die Schließung von zwölf der 17 städtischen Gräberfelder. Durch die Stadtteile ging ein Aufschrei. Und prompt blockte der Stadtrat das emotionale Thema im Jahr vor der Kommunalwahl ab.
Mittlerweile ist zumindest die SPD-Fraktion wieder bereit, die heikle Diskussion zu führen: "An uns soll es nicht liegen, die Debatte über Reduzierungen im Bereich der Friedhöfe endlich so zu führen, dass es zu einer wirksamen Veränderung kommt", hatte Fraktionschef Sven Teuber bereits in seiner Rede zum städtischen Haushalt 2012 erklärt. Die Diskussion solle möglichst bald angestoßen werden, bestätigte Teuber nun. "Wir können uns den Realitäten einer sich ändernden Bestattungskultur nicht verschließen - auch nicht, wenn es wirtschaftliche Gründe sind, die dahinterstehen."Meinung

Nicht die Augen verschließen
Keine Frage: Mit der Aufgabe von Friedhöfen stirbt auch ein Stück Kulturgeschichte. Der verstorbene Ehemann, Nachbarn und Freunde aus dem eigenen Stadtteil sind dann nicht mehr dort beerdigt, wo man ihre Gräber mal eben zu Fuß besuchen gehen kann. Wo man sich beim Blumengießen auf ein Schwätzchen trifft. Wo sich einst ganze Dorfgemeinschaften versammelten, wenn einer aus ihrer Mitte gerissen wurde. Doch die Zeiten ändern sich: Nur bisweilen noch leben ganze Familien in einem Stadtteil oder auch nur in einer Stadt zusammen. Immer seltener leben die Nachfahren dort, wo ihre Angehörigen beerdigt sind. Sicher ist aber auch: Würden Friedhöfe geschlossen, müssten insbesondere Senioren weitere und beschwerlichere Wege in Kauf nehmen, um ihre verstorbenen Partner zu besuchen. Die heikle Debatte wegen dieses fraglos unschönen Aspekts aufzuschieben würde allerdings bedeuten, die unangenehme Entscheidung nachfolgenden Generationen aufzubürden. Denn in Euren gab es im vorigen Jahr nur sechs Sargbestattungen, in Zewen und in Ehrang jeweils vier, in Filsch zwei und auf dem Palliener Friedhof nur eine einzige. Die Tradition stirbt also ohnehin aus - egal, ob man davor die Augen verschließt oder die Diskussion mutig angeht. c.wolff@volksfreund.deExtra

Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil die Erde für Bestattungen zu nass ist, ist vor genau einem Jahr der Höhenfriedhof bei Irsch geschlossen worden. Dabei heißt "geschlossen" nicht, dass der Friedhof nicht mehr besucht werden kann oder gar, dass bestehende Gräber aufgehoben wurden. Es ist lediglich nicht mehr möglich, neue Grabstellen zu kaufen oder Liegezeiten von Gräbern zu verlängern. Bürger, die bereits eine Grabstelle erworben haben - zum Beispiel bei einem Doppelgrab - haben weiterhin Anrecht, auf dem Höhenfriedhof auch begraben zu werden. Auch bei der "Schließung" von anderen Friedhöfen blieben diese bis zum Ende der Liegezeiten der vorhandenen Gräber - also für weitere 20 bis 30 Jahre - für Besucher geöffnet. Dass Friedhöfe nach Ablauf der Liegezeiten, wenn sämtliche Gräber aufgehoben sind, in absehbarer Zeit zum Beispiel zu Bauland werden, ist unwahrscheinlich. Eher könnten die ehemaligen Gräberfelder dann wohl in öffentliche Grünflächen - mit entsprechend weniger Pflegeaufwand - umgewandelt werden. woc

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