Der traurige Schwanen-Vater von Trier

Die Pflege-Station für verletzte Schwäne in der Feyener Kaserne steht offenbar vor dem Aus. Die Stadt Trier hat eine Verfügung erlassen, an die sich Schwanen-Vater Lothar Lorig nicht halten will.

 Lothar Lorig. TV-Foto: Ch. Wolff

Lothar Lorig. TV-Foto: Ch. Wolff

Trier. Seit 2004 kümmert sich ein hauptberuflicher Krankenpfleger um Schwäne. Lothar Lorig scheint heute selbst nicht mehr genau sagen zu können, wie er zum Schwanen-Vater wurde. Mit einem Zeit- und Energieaufwand, der über ein normal zumutbares Maß weit hinausgeht, hat er Hunderte Schwäne eingesammelt, verarzten lassen, gesund gepflegt und wieder frei gesetzt. Er hat Populationen beobachtet, sich mit Anglern angelegt, um Spenden gekämpft und eine verrottete Fahrzeughalle in der Castelnau-Kaserne zu einer Pflegestation mit drei überdachten Teichen umgebaut. Das hat ihn zwar überregional berühmt gemacht, aber auch jede Menge Nerven und 16 Kilo an Gewicht gekostet. Ärger mit dem Arbeitgeber gab es ebenfalls, und mit den Behörden steht Lorig auf Kriegsfuß. Jetzt eskaliert der Streit.Die Stadt Trier hat mit sofortiger Wirkung eine Verfügung erlassen, in der die weitere Existenz der Schwanen-Station von strengen Auflagen abhängig gemacht wird. Lothar Lorig sagt dazu nur: "Die wollen mich plattmachen."Dezernent Georg Bernarding sieht das anders. "Wir wollen die Station nicht schließen", sagte er gestern dem TV. "Aber die Auflagen müssen sein, sonst haben wir den Staatsanwalt wegen Tierquälerei im Haus." Was Lorig nur mit Empörung zurückweisen kann. "Als ob ich Tiere quälen würde. Das ist ungeheuerlich."Die Verfügung verpflichtet Lorig, ein Bestandsbuch zu führen und darin jeden seiner mittlerweile über 60 Schwäne mit Einlieferungsdatum und Art der Verletzung festzuhalten. Bis jetzt existieren diese Daten nur in Lorigs phänomenalem Gedächtnis. Außerdem sollen die Schwäne beringt werden. Lorig: "Das lehne ich ab. Dieser Ring könnte die Tiere gefährden." Insgesamt soll Lorig nur noch 15 Schwäne gleichzeitig pflegen. Bis Ende März hat er Zeit, die Anzahl entsprechend zu reduzieren. Bis zum 8. Februar sollen alle gesunden Tiere ausgewildert werden. "Das ist alles nicht möglich", sagt Lorig dazu. "Die Stadt geht mit keinem Wort auf die Situation draußen ein. Viele Schwäne, die wir frei lassen, sind drei Tage später schwer verletzt wieder da." Lorig hat Widerspruch eingelegt und will vor dem Verwaltungsgericht für die Aufhebung der Verfügung kämpfen. Meinung Eine Art Michael Kohlhaas Vor vier Jahren war Lothar Lorig noch ein Held. Schließlich hatte er das Verschwinden zahlloser Schwäne und damit den größten Fall von Wilderei an Mosel und Saar aufgedeckt. Doch sein an Besessenheit grenzendes Engagement und die Tatsache, dass er nur sich selbst als kompetente Größe in der Welt der Schwäne akzeptiert, haben ihn in den Augen der Behörden zum Problem werden lassen. Auch Michael Kohlhaas, Protagonist in Heinrich von Kleists gleichnamiger Novelle, begann als Kämpfer für ein berechtigtes Anliegen und führte schließlich, pure Selbstjustiz, Krieg gegen die Herrschenden. Die Parallele zwischen Lorig und Kohlhaas liegt in dem Gegensatz zwischen Idealbild und Realität. Mit dieser Realität wird sich Lorig auseinandersetzen müssen, auch wenn sein Idealbild ein komplett anderes ist. Den Kampf gegen die Trierer Verfügung kann er nicht gewinnen. j.pistorius@volksfreund.de

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