Der Wechsel ist ein Kraftakt

Schweich/Trittenheim · Die kleine Verbandsgemeinde (VG) Neumagen-Dhron löst sich zum 1. Januar 2012 auf. Drei ihrer vier Gemeinden gehen zur VG Bernkastel-Kues. Nur Trittenheim wechselt über die Kreisgrenze zur VG Schweich. Gewaltig ist der Verwaltungsaufwand für die Behörden.

Schweich/Trittenheim. Die 1150 Einwohner zählende Gemeinde Trittenheim geht am 1. Januar 2012 auf Wanderschaft: Der Ort zieht vom Kreis Bernkastel-Wittlich in den Nachbarkreis Trier-Saarburg um und wird Teil der Verbandsgemeinde (VG) Schweich. Die ehemalige Trittenheimer "Heimat-VG" Neumagen-Dhron löst sich zum Jahresanfang im Rahmen der Kommunalreform auf (der TV berichtete). Seit der Gebietsreform von 1969 ist dies in Rheinland-Pfalz die erste wesentliche Veränderung in der kommunalen Struktur.
Der Wechsel Trittenheims ist kein formaler Akt - die Mitarbeiter der VG Schweich, der "Noch-VG" Neumagen-Dhron und der beteiligten Kreise stehen vor einem Aufgabenberg. "Verwaltungstechnisch haben wir Riesenlisten abzuarbeiten - und alles neben dem normalen VG-Betrieb, der ja auch noch weiterlaufen muss", sagt Wolfgang Deutsch von der VG Schweich. Das komplette Vermögen und die öffentliche Infrastruktur einer Ortsgemeinde müssten erfasst, eingeordnet und übernommen werden. Das reiche vom Schulgebäude mitsamt Telefonanschlüssen über Straßen, Feuerwehrautos, Feuerwehrhaus bis hin zur Frage, was mit den bisherigen Grenzen der Schiedsmannbezirke geschehe. Sieben Mitarbeiter, davon fünf Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte, werden von der VG Neumagen-Dhron zur VG Schweich wechseln und müssen in die Personalpläne integriert werden.
Als "Glücksfall für die Werke" bezeichnet Deutsch das Trittenheimer Abwassersystem: Der Ort verfügt über eine eigene Kläranlage, seine Kanalisation ist nicht mit anderen Gemeinden verbunden und das System kann komplett und unverändert übernommen werden. Ähnliches gelte für die Wasserversorgung.
Technisch nicht unproblematisch ist die Übernahme des Trittenheimer Haushalts- und Finanzwesens. Die Krux sind die unterschiedlichen und nicht kompatiblen EDV-Programme der Verbandsgemeinden. Deutsch: "Nun müssen alle Daten über die einzelnen Steuerveranlagungen, Abgaben und Gebühren jeden Trittenheimer Bürgers ,per Hand\' von System zu System übertragen werden."
Auch Bürgermeisterin Christiane Horsch von der auslaufenden VG Neumagen-Dhron klagt über den Systemwirrwar in den Buchführungen. "Bei Einführung der doppelten Buchführung (Doppik) hätte vor einigen Jahren die Chance bestanden, alle Gemeinden mit einem einheitlichen EDV-System auszustatten, doch dies wurde versäumt. Nun müssen wir uns hier bei der Abwicklung mit den unterschiedlichen Programmen der Verbandsgemeinden Neumagen-Dhron, Schweich und Bernkastel-Kues herumschlagen."
Und überhaupt - das Abwickeln. Horsch: "Viele Leute meinen, wir sitzen nun da und lassen die VG Neumagen-Dhron langsam auslaufen. Stattdessen ist bei uns seit Wochen die Hölle los."
Der Trittenheimer Ortsbürgermeister Franz-Josef Bollig bezeichnet die vergangenen zwei Jahre als eine "harte Zeit". Die Mühe habe sich für Trittenheim wie für die VG Schweich schon mit Blick auf den Tourismus gelohnt. Bollig: "Mit rund 75 000 Übernachtungen pro Jahr werden wir touristisch eine gewichtige Rolle spielen"
Die Trittenheimer Touristinfo mit ihren zwei Halbtagskräften bleibt unverändert bestehen, wird aber in die Schweicher Tourismusförderung "Verein Römische Weinstraße" integriert. Der Beitritt ist schon vollzogen.
Bollig sieht für Trittenheim die Weichen in die richtige Richtung gestellt. "Mehr als 91 Prozent der Bevölkerung sind für diese Lösung. Soviel Zustimmung ist auch das Ergebnis der Offenheit, mit der unser Rat an die Sache herangegangen ist", sagt Bollig.
Trittenheim stellte mit rund 1150 Einwohnern etwa 18 Prozent der Gesamtbevölkerung in der VG Neumagen-Dhron. Nach dem Wechsel Trittenheims über die Kreisgrenze umfasst der Kreis Trier-Saarburg genau 100 Ortsgemeinde (bisher 99) und drei kreisfreie Städte.
Meinung

Um eine Erfahrung reicher
Der Aufwand an Zeit und Personal für die "Umpflanzung" nur einer Ortsgemeinde ist erstaunlich. Das hier vorgestellte Spektrum ist keinesfalls vollständig, sondern beleuchtet nur wichtige Teilaspekte. Die plötzlich in Heidenburg und Büdlich aufkeimenden Beitrittswünsche (der TV berichtete) dürften daher in der VG-Verwaltung Schweich, aber auch beim Kreis, ein leichtes Schaudern hervorrufen. Allerdings wären die Verantwortlichen im Wiederholungsfalle um den Erfahrungsschatz aus dem Trittenheim-Übertritt reicher. Vieles dürfte leichter fallen. Doch zunächst richtet sich die Aufmerksamkeit in den kommenden Monaten auf Trittenheim. Wie gelungen und sinnvoll dieser Beitritt wirklich war, dürfte sich aber erst in ein bis zwei Jahren herauskristallisieren. f.knopp@volksfreund.de

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