Der Weg nach Island ist zu steil

TRIER. Nach Enttäuschung und Ärger im vergangenen Jahr startete Rollstuhlfahrerin Lydia Schäffer einen erneuten Versuch, einen Dia-Abend im Hindenburg Gymnasium zu besuchen. Obwohl die Stadt ihre zugesagte Unterstützung einhielt, gab es erneut Schwierigkeiten.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, da wollte Lydia Schäffer im Trierer Hindenburg-Gymnasium (HGT) einen Dia-Vortrag über Island besuchen. Dabei gab es jedoch ein Problem: Die Aula des HGT ist nur über Treppen erreichbar, einen Aufzug gibt es nicht. Was für andere Besucher allenfalls eine kleine Mühe darstellte, war für die behinderte Frau aus Schweich unmöglich. Sie sitzt seit einem schweren Unfall im Rollstuhl. Unverrichteter Dinge musste sie den Heimweg antreten."Kräftige Männer" kapitulieren

Schäffer wandte sich damals an den Trierischen Volksfreund und machte das Problem öffentlich. Daraufhin versprach Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt Trier, Abhilfe. Man habe bei der Renovierung 1997 auf die Installation eines Fahrstuhles verzichtet. Das Gesetz schrieb ihn nicht vor, die Stadtkasse war leer, sagte Frühauf vor einem Jahr. Er bedauerte den Vorfall und versprach, dass die Veranstalter zukünftig zwei kräftige Männer bereitstellen würden, um behinderte Menschen mit ihrem Rollstuhl in den ersten Stock zu tragen. Das klappte auch beim letzten Irland-Vortrag. Veranstalter Michael Fleck hatte die beiden Hausmeister des HGT mobilisiert. Gemeinsam wuchteten die Männer Lydia Schäffer und ihren Rollstuhl durch das Treppenhaus. Was bei Schäffer noch relativ mühelos gelang, war bei dem Begleiter der jungen Frau jedoch unmöglich. Jan Wülfing sitzt in einem gut 100 Kilo schweren Elektrofahrstuhl. Weder Wülfing noch die beiden Hausmeister trauten sich an diese Aufgabe heran - "zu gefährlich". Lydia Schäffer ärgert sich: "Das kann doch nicht die Lösung sein. Die Stadt stiehlt sich hier aus der Verantwortung und wälzt das Problem auf den Veranstalter ab." Schäffer verlangt: "Öffentliche Veranstaltungen haben auch für behinderte Menschen problemlos erreichbar zu sein." Auch Fleck ärgert sich: "Als Veranstalter kann ich hier keinen Fahrstuhl einbauen." Er habe alles mögliche getan, die Helfer waren wie versprochen vor Ort. Natürlich wolle auch er, dass behinderte Zuschauer in den Genuss seiner Vorträge kommen. Aber er müsse auch wirtschaftlich denken, so Fleck. Da das Raumangebot und der Preis stimmten, sei das HGT der geeignete Ort. Pressesprecher Ralf Frühauf weist die Kritik an der Stadt zurück: "Gemeinsam mit dem Club Aktiv versuchen wir ständig, Barrierefreiheit herzustellen, wo es eben nur geht." Der Einbau eines Fahrstuhls bei der Renovierung des HGT sei für die Stadt aber nicht finanzierbar gewesen. In Trier gebe es zwei behindertengerechte Gymnasien, der Einbau sei also auch nicht zwingend nötig gewesen. Man habe vor einem Jahr Hilfe zugesagt, was ja auch in diesem Jahr gut geklappt habe. Dass die beiden "starken Männer" vor dem Elektrofahrstuhl kapituliert hätten, sei richtig gewesen. Das wäre einfach zu gefährlich gewesen. "Wir wollen nicht, dass es noch einmal zu einer für alle Beteiligten unangenehmen Situation und einer erneuten Beschwerde kommt", sagt Frühauf. "Das HGT wird von uns als Veranstaltungsort nicht mehr zur Verfügung gestellt." Das sei bedauerlich, denn verkehrstechnisch liege das HGT ideal, ein großer Parkplatz direkt vor dem Haus, mit Bussen sei das Gymnasium gut erreichbar. "Das HGT ist ja auch recht preisgünstig, nur rund 130 Euro pro Veranstaltung", ergänzt der Pressesprecher. Eine räumliche Alternative zum HGT ist für die Stadt schon in Sicht. Die Berufsbildende Schule für Wirtschaft verfügt über eine etwa gleich große Aula für 300 Besucher. Es gebe dort sogar die Möglichkeit, Getränke anzubieten, was aber für den Veranstalter kein Muss sei, sagt Frühauf. Aufgrund der Ausstattung seien die Kosten höher als im HGT - wie hoch genau, könne er noch nicht sagen. "Wir werden da natürlich nicht ungebührlich teuer, müssen aber auf unsere Kosten kommen."

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