Trierisch balaawern Des Sängers Fluch

Lange Gedichte auswendig zu lernen und hersagen zu können, war zu meiner Schulzeit ein wichtiges Ziel des Unterrichtes. Und weil daher alle Leute viele Gedichte und Balladen sehr gut auswendig kannten, gab es auch gleichzeitig viele Parodien, die sich über diese Werke lustig machten.

 rm._mundart_tierer_platt_buch (morgen roland) ORT: Trier *** PERSONEN: Schmitt Horst *** Hommage an seine trierische Muttersprache: Horst Schmitt mit Neuerscheinung \"Platt ist nicht platt\". Foto: Roland Morgen ***

rm._mundart_tierer_platt_buch (morgen roland) ORT: Trier *** PERSONEN: Schmitt Horst *** Hommage an seine trierische Muttersprache: Horst Schmitt mit Neuerscheinung \"Platt ist nicht platt\". Foto: Roland Morgen ***

Foto: roland morgen (rm.) - roland morgen (rm.)

Auch auf Trierer Platt.

Ein ganz besonders originelles Beispiel  – und mein liebstes – ist dabei die um 1950 entstandene Trierisch-Version der Ballade „Des Sängers Fluch“ von Ludwig Uhland, die wir Michel Flesch zu verdanken haben. Wo bei Uhland zwei Sänger einen König seiner Hartherzigkeit wegen verfluchen und ihm daraufhin alles Schlimme geschieht, spielt die Rolle des Königs bei Michel Flesch ein reicher geiziger Metzger (Maschores) im Trierer Stadtteil Maar. Die beiden Sänger sind hier zwei ausgehungerte Burschen aus emm Kraonen (Trierer Stadtteil an der Mosel und einst sozialer Brennpunkt), ein Onkel und sein Neffe, die statt eine Mahlzeit zu erhalten, mit roher Gewalt vertrieben werden.

Und hier ist der Fluch des Sängers aus emm Kraonen mit Übersetzungshilfen weiter unten:

„Dau gaorzie Maschores!

Dau neidisch Aijepanz!

Dau böss doch nure raosend,

weils dau nött singe kanns!

Eisch wönnschen dir e Grönndkobb

su dögg wie´n Ochseschwanz

aon jedem Finger den Ommlaaf,

dat´z dau nött kräätze kanns!“

Bei Uhland bleibt als Konsequenz des Fluches:

Noch eine hohe Säule

zeugt von verschwundner Pracht;

Auch diese, schon geborsten,

kann stürzen über Nacht.

Bei der  Metzger-Villa im Maar sieht es auch nicht besser aus:

Nur noch enn Dier mött Herzjen

zeischt, wo datt Haus gestaan,

doch daomött haonn se gössdern

schonnst Feijer aogefaang.“

Ist das nicht Trierer Platt aus vollem Herzen?!

Übersetzungshilfen: gaorzisch=geizig, Maschores=Metzger, Aijepanz=Starrkopf, raosend=verärgert, Gröndkobb und Ommlaaf werden im nächsten Kapitel erklärt, krääzen=kratzen, gössdern= gestern, schonnst=schon.

Ein Wort zu Michel Flesch (1902-1974): Der als Mundartdichter heute leider fast Vergessene, den alle „Flesche Michel“ nannten, war auf dem „Neije Wääsch“, wie die Römerstraße in Pallien heißt, zu Hause. Ich habe ihn gut gekannt, obwohl uns altersmäßig viele Jahre trennten. Gemeinsam haben wir im Palliener Gesangverein gesungen. Nach seiner Pensionierung als Oberstellwerksmeister war er viele Jahre in der Stadt und beim Bischöflichen Museum als Führer tätig und ich erinnere mich noch sehr gut an seine kompetenten Erklärungen.

Weitere Kolumnen finden Sie im Buch „Platt ist nicht platt“ von Horst Schmitt, Verlag Michael Weyand, 14,95 Euro, erhältlich auch unter www.volksfreund.de

Horst Schmitt

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