Die Achterbahnfahrt der Trierer Schulen

43 öffentliche Schulen gibt es im Verantwortungsbereich der Stadt Trier - mehr als etwa Mainz hat. Fast alle Ebenen und Formen sind vertreten. Viele Initiativen und Ideen einerseits, viele Probleme mit Ausstattung und Gebäuden andererseits machen die Trierer Schullandschaft zu einer zerklüfteten Gegend - die der TV in einer großen Serie erkunden will.

Trier. Wenn man auf Besuchs-Tour zu den Trierer Schulen geht, dann gibt es Momente, in denen ist man begeistert. Beispielsweise, wenn findige Schulleiter erzählen, wie sie dank Sponsoren-Hilfe Büchereien und Computer-Räume für ihre Schüler organisiert haben. Wenn Eltern berichten, wie sie auf eigene Faust Mittagessen und Betreuung organisieren. Wenn Hauptschüler mucksmäuschenstill in ihren Klassen sitzen und lernen, weil man mutig genug ist, neue Formen auszuprobieren. Wenn eine Schule im sozialen Brennpunkt Kurse anbietet mit dem Titel "Meine Mama lernt Deutsch an meiner Schule". Wenn Schüler und Lehrer über Jahre ein Partnerprojekt in einem bettelarmen Land betreuen. Wenn freiwillige Arbeitsgemeinschaften auch entlegene Interessenbereiche abdecken. Wenn ein ganzer Stadtteil sich um seine Schule kümmert - und umgekehrt.Es gibt aber auch Momente, da schämt man sich. Wenn achtjährige Kinder in modrig riechenden Kellerräumen unterrichtet werden. Wenn Eltern Stromleitungen verlegen, Baupläne erstellen oder Flure streichen müssen, weil der Träger sich selbst zu elementarsten Unterhalts-Leistungen nicht in der Lage sieht. Wenn sechs Lehrer auf zehn Quadratmetern Lehrerzimmer hausen. Wenn Schulhöfe aussehen, als stamme der Bodenbelag aus Kriegstagen. Wenn es zieht wie am Polarkreis und Eimer den Regen auffangen müssen, der durchs marode Dach tropft. Wenn die Computer nur noch für den Sperrmüll taugen und das Mobiliar selbst beim Awo-Möbellager keine Chance hätte, angenommen zu werden. Bilder aus Aserbaidschan? Keineswegs. Alles in Trier zu finden. 30 bis 50 Millionen Euro Sanierungs- und Investitionsrückstände haben eine Schneise des Zerfalls hinterlassen. Das ist inzwischen kein Jammern auf hohem Niveau mehr. Wären da nicht engagierte Eltern, einsichtige Sponsoren und die unverzichtbare Nikolaus-Koch-Stiftung, längst lautete die Devise: Nichts geht mehr. Aber immer öfter fragen sich Eltern, ob sie nicht als billige Löcher-Stopfer missbraucht werden.Die Schulleitungen und ihre Lehrer sind angesichts der miesen Rahmenbedingungen erstaunlich kreativ. Vom größten Gymnasium bis zur kleinsten Grundschule gibt es kaum eine Einrichtung, die nicht versucht, ein eigenes, durchaus unterschiedliches Profil zu erarbeiten. Aber die Kollegien sind eingeklemmt zwischen den ständig wachsenden Anforderungen an das Bildungs-Institut Schule und den miserablen Bedingungen für die Umsetzung. Sie sollen fördern, musisch bilden, den Sport und die Gesundheit nicht vernachlässigen und den Kids neue Technologien nahebringen - so wollen es, zu Recht, Bildungspolitik und Schulaufsicht.Einige wurden saniert, die Masse gammelt vor sich hin

Das Land aber hält sie bei Förderstunden kurz, der Schulträger hält mangels Masse Büchereien und Computerräume - etwa bei Grundschulen - für vernachlässigbaren Luxus, die naturwissenschaftlichen Fachräume mancher Gymnasien sind auf dem Stand von 1950. Bei den Gebäuden gibt es mächtige Klassenunterschiede: Wer das Glück hatte, irgendwann auf einem städtischen Sanierungsplan zu stehen, lebt bisweilen fast luxuriös. Die große Masse gammelt vor sich hin. Viele Schulen werden seit Jahren mit Blick auf den Schulentwicklungsplan vertröstet. Sanierungsmaßnahmen, Ganztagsschulanträge, neue pädagogische Konzepte: Überall heißt es, man möge das künftige Konzept erst einmal abwarten. Kein Wunder, dass die Schulen fast unisono von der Stadt jetzt zügige Entscheidungen wollen. MeinungWissen, worüber man redet Gewurstelt worden ist bei den Trierer Schulen lange genug. Falls jetzt nicht systematisch an ihrer Entwicklung gearbeitet wird, sind auch die letzten Züge abgefahren. Aber wenn die große öffentliche Diskussion um den Schulentwicklungsplan hoffentlich demnächst beginnt, sollten auch alle Beteiligten wissen, worüber sie reden. Schon, damit die Debatte in absehbarer Zeit zu einem konkreten Ergebnis führt. Deshalb stellt der Trierische Volksfreund in einer in dieser Form bislang beispiellosen Serie alle 43 betroffenen Schulen vor. Mit ihren Eigenheiten, ihrem Standort, ihrem Profil und ihren Problemen. In einer Reportage und einem kleinen "Zeugnis". Nicht, um einen Wettbewerb um die besten "Noten" zu eröffnen. Sondern um bei einer realistischen Bestandsaufnahme zu helfen. Welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, muss letztlich die Politik entscheiden. Aber bitte nicht erst bequem nach der nächsten Kommunalwahl. d.lintz@volksfreund.de

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