Die Angst der Narren vor dem Krieg

TRIER/KONZ/KORDEL. Je näher die heiße Phase der Karnevalssession rückt, um so höher steigt auch die Kriegsgefahr am Golf. Anders als 1991 sind die Narren fest entschlossen, sich von Bush und Saddam die fünfte Jahreszeit nicht verderben zu lassen.

So mancher Büttenredner, Sitzungspräsident oder Zugmarschall fühlt sich dieser Tage um 12 Jahre zurückversetzt. Ein amerikanischer Präsident namens Bush lässt die Muskeln spielen, ein irakischer Diktator namens Saddam zeigt sich unnachgiebig, und täglich marschieren neue Truppen in eine Krisenregion. Was im Januar 1991 so begann, endete wenige Wochen später im ersten Golfkrieg. Die Karnevalisten in Deutschland zeigten, mal freiwillig, mal von der öffentlichen Meinung gedrängt, Solidarität und bliesen die komplette närrische Kampagne ab. "In einer Situation, in der weite Teile der Öffentlichkeit ihre Angst vor kriegerischen Auseinandersetzungen mit unabsehbaren Folgen zum Ausdruck bringen, sind Veranstaltungen, die in hohem Maße von der Stimmung des Publikums abhängen, nicht denkbar": So lautete der Beschluss bei der KG Heuschreck ­ zu einem Zeitpunkt, da andere noch nach Aus- und Umwegen suchten, um ihre Session zu retten. Diesmal ist die Stimmung anders. "Ein Einmarsch der Amerikaner wäre allein kein Grund, alles abzublasen", so formuliert Hans Peters, Präsident des Landesverbandes im Bund Deutscher Karneval, die Position fast aller aktiven Karnevalisten. Auch Heuschreck-Chef Gustl Thormeyer hält die Situation für nicht vergleichbar: Die Bedrohung sei damals in Deutschland "als viel größer eingeschätzt worden", die öffentliche Betroffenheit sei deutlich spürbarer gewesen. Vor allem die Aktiven seien nicht bereit gewesen, "Halaudi zu rufen, wenn es da unten kracht". Diesmal sei man, "entschlossen, nicht abzubrechen", es sei denn, "wenn es total eskaliert". Auch Medard Roth, Organisator des Rosenmontagszugs in Kordel, sieht keinen Handlungsbedarf, "so lange unser Land nicht unmittelbar betroffen ist". 1991 seien die Karnevalisten allein in Kordel durch die Absage "auf 30 000 Mark Schulden sitzen geblieben". Besonders der Umstand, "dass die Amerikaner in Bitburg und Spangdahlem fröhlich gefeiert haben, während bei uns alles ausfiel", habe für Bitterkeit gesorgt. Auch die Vorsitzende des Karneval-Clubs Konz, Sabine Bast, schließt sich dem Meinungstrend an. "Was sollen wir denn machen, irgendwo auf der Welt ist immer Krieg", sagt die junge Karnevalistin. Die Aktiven "machen sich durchaus Gedanken", hat sie festgestellt, "aber für die wäre eine Absage besonders schlimm, denn sie haben sich intensiv vorbereitet". Das gilt auch für den obersten Repräsentanten der Trierer Fastnacht. Christoph Heinemann, als Prinz Christoph I. frisch inthronisiert, beschäftigt sich intensiv mit der Lage am Golf. "Es wäre schrecklich, wenn am Rosenmontag Bomben auf Bagdad fallen, und wir würden einen Umzug machen", meint er, "viele wären dann sicher nicht in der Lage zu feiern". Dennoch will er zumindest zunächst "ganz fest hoffen, dass es nicht zum Krieg kommt". Ein Wunsch, den alle befragten Fastnachtern teilen."Damit lässt sich die Welt auch nicht ändern"

Hubert Ludwig, als "Kleiner Mann" die Identifikationsfigur der Trierer Narren, konnte vor 12 Jahren seine fertige Büttenrede in den Mülleimer werfen. Dennoch war der Verzicht für ihn damals keine Frage: "Niemand hat gesagt ‚was soll das', alle haben diesen Schritt als logisch empfunden." In der Bevölkerung habe "echte Angst" geherrscht, anders als diesmal, wo man die Irak-Krise "eher als lokalen Konflikt empfindet". Dass in Narren-Kreisen diesmal keine Bereitschaft zum Verzicht auf das Fastnachtstreiben zu erkennen ist, führt der "Kleine Mann" auch auf die Erfahrungen 1991 zurück: Seinerzeit brachte man schweren Herzens das Opfer ­ "und musste feststellen, dass sich damit die Welt auch nicht ändern lässt".Ihre Meinung in Kürze? Mail an echo@volksfreund.de

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