Die Anwältin der Jugendlichen

Pöbeleien, Vandalismus, Alkoholexzesse - und viel Menschlichkeit: Michaela Stoll berichtet aus ihrem Alltag als Streetworkerin und zieht nach zwei Jahren ein erstes Fazit.

Trier. Eine partnerschaftliche Beziehung zu den Jugendlichen aufzubauen: Das ist für Michaela Stoll die Kunst ihrer Arbeit - die sich oft als Balanceakt erweist. Die 50-jährige Streetworkerin will die jungen Leute nicht gleich mit dem erhobenen Zeigefinger konfrontieren. Und doch dabei helfen, sie von der Straße zu holen.

Seit zwei Jahren arbeitet die gebürtige Karlsruherin nun als Streetworkerin in Trier. Sie leistet "mobile Jugendarbeit", kümmert sich also um junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren, die viel Zeit auf der Straße verbringen und sich dort mit Gleichgesinnten treffen. Häufig sind sie betroffen von sozialer Benachteiligung und laufen Gefahr, kriminell zu werden. Obdachlos sind nur die wenigsten von ihnen.

Am Beispiel von Trier-Ehrang und Quint, ihrem Haupteinsatzgebiet, zeigt Stoll die Ziele ihrer Arbeit auf. Dort hatten sich viele Jugendliche an öffentlichen Plätzen getroffen, da es bis auf ein Angebot in der Merowinger Straße keinen Raum für sie gab. Häufige Folge waren Beschwerden von Anwohnern.

Ein Kooperationsprojekt mit der Pfarrei St. Peter brachte Abhilfe: Drei Cliquen, also Gruppen von Jugendlichen, hat Stoll zusammen mit nebenamtlichen Jugendpflegern im Jugendraum des Pfarrheims betreut.

Mittlerweile ist im Bürgerhaus ein Jugendkeller entstanden - unter Beteiligung der Jugendlichen. Nach und nach will Stoll die Cliquen dort integrieren. Gelingt ihr dies, kann sich die Streetworkerin zurückziehen: Sie hat den Zugang zur öffentlichen Jugendarbeit geschaffen.

Ohne Erfolg war derweil bislang die Suche nach einem Jugendraum in Pfalzel. Keine leichte Situation, denn "ich kann die Jugendlichen auf der Straße nur bedingt versorgen", berichtet Stoll. In Trier-Süd ist Stoll hauptsächlich im Hubert-Neuerburg-Park, am Südbahnhof und im Schammatdorf im Einsatz. In Kooperation mit dem Palais e.V. hat sie ein Jahr lang 35 Jugendliche in regelmäßigen Treffen betreut. "Aber auch hier fehlt uns ein eigener Raum", sagt die Streetworkerin. Ein Raum, um ihre Ziele zu erreichen: das Lebensumfeld der Jugendlichen zu verbessern und sie in die Gesellschaft zu integrieren. "Beide Seiten müssen Probleme ansprechen können." Hin und wieder hilft sie den Teenagern auch bei individuellen Problemen.

Ihre Rolle bezeichnet sie als "Anwältin der Jugendlichen". Im Gegensatz zur Polizei hat sie allerdings keine "Feuerwehrfunktion" inne: Würde sie als Ordnungshüter oder Lehrmeister auftreten, würde sie nur auf Widerstand stoßen, sagt sie.

Drogenkonsum und Gewaltbereitschaft erschweren den Umgang mit den Jugendlichen. Angesichts des Falls des 14-Jährigen, der jüngst vor dem Hindenburg-Gymnasium Opfer eines Angriffs wurde, spricht Stoll sich dafür aus, ein Deeskalationstraining für ältere Schüler anzubieten, die in solchen Situationen eingreifen könnten.

"Derzeit herrscht eine Atmosphäre, in der schnell etwas hochkochen kann", erklärt die Streetworkerin die Lage.

Es sei vor allem das Gefühl, keine Perspektive zu haben, das die jungen Menschen in Kriminalität und Gewalt treibe.

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