Die Biologie begrenzt die Freiheit

Der Paderborner Theologe Eugen Drewermann war zur Matinee des Theologischen Quartetts Trier in der Tufa. Vor rund 200 Zuhörern setzte er unter dem Titel "Gott im Gehirn?" Dogmen der Religion philosophische Denkansätze entgegen.

Trier. Eugen Drewermann bedankt sich am Anfang seines Vortrags bei seinen Zuhörern für ihren Mut, gekommen zu sein. Das befremdet zunächst, entpuppt sich aber als gerechtfertigt, denn er verlangt ihnen mit der Zielsetzung einer "tiefen Auseinandersetzung" einiges ab. Sie müssen sich auf komplexe Gedankengebilde einlassen. Komprimiert auf zwei Stunden ist das eine packende Herausforderung. Drewermann relativiert mit Erkenntnissen zu genetischen und biochemischen Faktoren, die den Menschen prägen, die Freiheit seines Handelns und damit auch seine bewusste Entscheidung für "Gut" oder "Böse".

Daraus resultierend stellt er das Recht über andere Menschen juristisch wie moralisch zu urteilen infrage. Das wiederum führt ihn zu Dogmen der abendländisch-christlichen Lehre, die er mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Argumentationen als heute unglaubwürdig entlarvt. Pointiert lässt er sich über die Unvereinbarkeit der Gott zugeschriebenen Attribute "Allmacht", "-weisheit" und "-güte" aus oder erklärt, dass seit Darwin einer der Hauptgründe an Gott zu glauben (Schöpfung) entfalle. Wunder seien Projektionen von Bewusstseinswahrnehmungen, an die man nicht glauben könne. Am biblischen Beispiel der Christus-Erscheinung von Paulus aber zeigt er doch eine Dimension jenseits des biochemisch Erklärbaren auf.

Paulus, der als Saulus noch überzeugter Richter über andere war, habe wohl einen epileptischen Anfall erlitten und sei erstmals schwach und auf Gnade und Hilfe angewiesen gewesen. Das habe seine Sicht auf Menschen nachhaltig verändert, insofern habe er Christus tatsächlich gesehen. Friedrich von Spee habe einen Perspektivwechsel vollzogen, als eine verurteilte "Hexe" ihm offenbarte, sich der unter Folter gestandenen Schuld nicht bewusst zu sein. In diesem Sinne könne man auch heute an Gott glauben, als "gütigen Hintergrund" eines eigenen Handelns, das jeden Mensch als Subjekt sehe, denn: "Die Höhe einer Kultur ist identisch mit ihrem Raum für Schwache". Bei den Zuschauern, die bis zum Ende durchhalten, bleiben einige Fragen. Ihr Echo reicht vom Lob der "zutiefst menschlichen Botschaft" über "schwammig" und "genial" bis: "Er gibt von den kirchlichen Lehren Verunsicherten eine andere, wenn auch schwierigere Perspektive".

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