Die Glocke läutet bald im Exil

Trier · Ab Herbst wird das Wirtshaus zur Glocke renoviert und ausgebaut. Der Betrieb läuft dennoch weiter: Triers älteste Gaststätte (seit 1803) zieht vorübergehend auf die gegenüberliegende Straßenseite in die Krim. Deren künftiger Pächter ist Glocken-Besitzer Brommenschenkel.

Trier. Noch rund drei Monate, dann gehen in Triers dienstältester Gaststätte die Lichter aus. Der Kneipenbetrieb läuft dennoch weiter. Das klingt widersinnig, aber es gibt eine simple Erklärung. "Die Glocke zieht vorübergehend um auf die andere Seite der Glockenstraße in die Krim", kündigt Peter Brommenschenkel (57) an. Von seinen ursprünglichen Plänen hat er sich verabschiedet.
Die sahen vor, das Haus Zur Glocke (Glockenstraße 12), das er und seine Frau Anne im Frühjahr 2011 gekauft und damit die Kultkneipe vor der Schließung bewahrt haben, im laufenden Betrieb zu renovieren und auf neuen Technik-Stand zu bringen. Die gültige Gaststätten-Konzession hätte das auch ermöglicht, erklärt Brommenschenkel. Das Modernisierungs- und Ausbauprojekt habe jedoch inzwischen deutlich größere Dimensionen angenommen.
Hinter der Straßenbildprägenden Fachwerkfassade aus dem 18. Jahrhundert wird sich vieles ändern. Die Theke im vorderen Gastraum wird per Mauerdurchbruch in den hinteren verlängert und die Küche vom Erd- ins erste Obergeschoss verlegt. An ihrer Stelle entsteht ein dritter großer Gastraum und im Hinterhof ein kleiner Biergarten. Auch das Kellergewölbe aus dem 12. Jahrhundert wollen die Brommenschenkels gastronomisch nutzen (80 Sitzplätze). Dazu werden jüngere Kellerteile auf das 4,40 Meter tiefe mittelalterliche Niveau herabgesenkt - was dem Landesmuseum Untersuchungen in einem archäologisch hochinteressanten Bereich ermöglicht. Ein Teil der Helenenmauer, die vor gut 1000 Jahren den Dombering schützte, bildet die südliche Kellerwand der Glocke.
Das nicht unter Denkmalschutz stehende Hinterhaus soll durch einen Neubau ersetzt werden. Die "neue" Glocke wird auch wieder Hotel, wie sie es bis in die 1990er Jahre hinein war. Brommenschenkel: "Wir bauen sechs Hotelzimmer, drei davon doppelgeschossig."
Passenderweise hat der 57-jährige Multi-Unternehmer (Parfümerien, Bio-Lebensmittelmärkte, Gastronomie) eine gelernte Hotelfachmeisterin als neue Betriebsleiterin engagiert: Christiane Theisen (34), zuletzt Servicechefin im Warsberger Hof, ist Nachfolgerin von Katrin Klein (28), die Ende März die Glocke verlassen hat. Das große Sanierungs- und Ausbauprojekt nach Plänen des auf historische Gemäuer spezialisierten Trierer Architekten Rudolf P. Weidert (75) soll im Herbst starten - und nicht zu einer Unterbrechung des Gastro-Betriebs führen.
Als "Exil" steht einen Katzensprung entfernt die Krim (Glockenstraße 7), ebenfalls eine Traditionskneipe (eröffnet 1864), bereit, die Brommenschenkel ab 1. Oktober für zunächst zehn Jahre pachtet: "Vor Baubeginn machen wir die Krim zur Glocke und ziehen mit dem gesamten Team und großen Teilen des Mobiliars auf die andere Straßenseite".
Etwa ein Jahr dürfte die Exil-Zeit dauern, dann geht es zurück in die runderneuerte Glocke.
Die Krim soll anschließend wieder Krim heißen, aber voraussichtlich eine neue Ausrichtung erhalten - "möglicherweise mit mediterraner Küche".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort