Die Grenzen in den eigenen Köpfen erkennen Zwei Biografien - Zwei unterschiedliche Erlebenswelten

Trier/Luxemburg · 67 Jahre nach Kriegsende gibt es nach Auffassung der Träger eines Projekts für Seniorinnen aus Luxemburg und Deutschland noch Vorbehalte und Berührungsängste zwischen Menschen von beiden Seiten der Grenze. Durch Austausch und Begegnungen sollen Wege für eine stärkere Zusammenarbeit über Mosel und Sauer hinweg gefunden werden. Etwa 70 Kilometer Entfernung sind es zwischen Trier und Esch/Alzette. Heute ein Katzensprung. Allerdings können ganze Welten zwischen zwei Orten und den Menschen liegen - dies- und jenseits einer Ländergrenze.

Trier/Luxemburg. Die einen kommen zum Einkaufen nach Trier, die anderen fahren zum Tanken oder zur Arbeitsstelle nach Luxemburg. Und in Sonntagsreden wird immer wieder berichtet, dass doch alles so toll laufe zwischen den beiden Ländern. Gemeinsam auf Spurensuche

So ganz Friede, Freude, Eierkuchen scheint jedoch nicht vorzuherrschen. Diese Auffassung vertreten jedenfalls der Diözesanverband der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und die luxemburgische Schwesterorganisation Action Catholique des Femmes du Luxembourg (ACFL). Gemeinsam gehen sie unter dem Titel "Unser Leben bewegt Geschichte - Seniorinnenarbeit über Grenzen" auf biografische Spurensuche. Das Projekt läuft von Mitte Juli bis Ende des Jahres. Es umfasst unter anderem binationale Gesprächsgruppen sowie biografisches Schreiben. Rund 20 000 Euro soll diese Spurensuche kosten, die nach Auskunft von ACFL-Präsidentin Carine Manderscheid-Hirtz und kfd-Diözesanchefin Ilse Diewald offen für alle Frauen sein soll.Konfession spielt keine Rolle

Einen Großteil der Summe übernimmt die EU, den Rest die Stiftung Zukunft des Landkreises Trier-Saarburg. "Egal ob katholisch oder nicht", sagt kfd-Geschäftsführerin Petra Erbrath. Es sei jedoch so, dass beide Verbände in ihren Gebieten jeweils im Vergleich mit anderen Gruppierungen die meisten Frauen erreichten. Zudem hat die Arbeit der lokalen katholischen Frauengruppen gezeigt, dass es offensichtlich noch Grenzen in den Köpfen gibt. "Es gibt zwar Kontakte zwischen einzelnen Gruppen", sagt Erb rath. Doch die beruhten meist auf persönlichen Kontakten. Die Regel seien sie jedoch nicht. Und das, obwohl man gerade im Sauer- oder Moseltal von einem Ort zum Nachbarort jenseits der Grenze fast schon spucken kann. Anders als bei vielen anderen Initiativen soll die biografische Spurensuche im ersten Schritt keine Massenveranstaltung werden.Bis zu 30 000 Euro

Es handelt sich um ein sogenanntes Mikroprojekt der EU. Diese Kleinprojekte wenden sich direkt an die Bevölkerung in der Grenzregion. Träger wie Schulen, Verbände, Vereine und Gemeinden erhalten bis zu 30 000 Euro. "Wenn sich 25 Frauen melden, ist das schon eine gute Zahl", sagt Geschäftsführerin Erbrath. Dieses bescheidene Ziel haben sich die Deutschen und Luxemburgerinnen auch deshalb gesetzt, weil die Zielgruppe (Frauen ab 55 Jahren) des Projekts mit teils gemischten Gefühlen das jeweils andere Land betrachtet. Informationen gibt es beim kfd-Diözesanverband Trier, Telefon 0651/9948690 oder E-Mail an info@kfd-trier.de Trier/Esch. Die einen sprechen Deutsch und oft auch Moselfränkisch, die anderen Lëtze buergesch, Deutsch und Französisch. Auf den ersten Blick unterscheidet Frauen aus Deutschland und Luxemburg nur wenig. Doch wie sieht es auf den zweiten Blick aus? Davon berichten Marie-Thérèse Molitor-Hostert (78) aus Esch/Alzette und Petra Löwenbrück (56) aus Trier.Wann und warum waren Sie zum ersten Mal im jeweilig anderen Land? Marie-Thérèse Molitor-Hostert: "Dass ich erst zehn Jahre nach dem Fall des verhassten Hitlerregimes, das die Neutralität Luxemburgs missachtet hatte, deutschen Boden betrat, sagt sicher etwas aus über das Misstrauen, das damals noch unser Verhältnis zu Deutschland überschattete. Ich war mir bewusst, mit dem Grenzübertritt ein Tabu zu brechen, das ich mir seit Kriegsende auferlegt hatte."Petra Löwenbrück: "Mein erster Besuch in Luxemburg war während meiner Volksschulzeit und meine erste Reise über eine Landesgrenze. Diese ist mir sehr bewusst, da meine Tante, deren Personalausweis abgelaufen war, extra einen Ausweis an der Grenze für diesen Tag vor Ort beantragen musste. Als sie den Zollbeamten ins Wachhäuschen begleitete, hatte ich große Angst, ob sie wiederkommt."Was haben Sie damals gedacht? Molitor-Hostert: "Meine Studienkollegen erschienen mir allesamt sehr ernst und sehr gründlich, teils etwas humorlos."Löwenbrück: "Für mich als Kind war es lange Zeit beeindruckend, dass auf der anderen Moselseite ein anderes Land ist. Mit Menschen, die eine eigene Sprache sprechen, aber ganz schnell in der Lage sind, in französischer oder deutscher Sprache weiterzureden."Was haben Sie damals vom jeweils anderen Land gewusst, was wissen Sie heute?Molitor-Hostert: "Außer dass Deutschland in verschiedene Besatzungszonen eingeteilt war nach dem Krieg, dass viele Städte ausgebombt und aufbaubedürftig waren, wusste ich damals nicht viel."Löwenbrück: "In späteren Jahren habe ich einiges über die Situation des Landes und der Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs gehört oder gelesen. Ich kann daher auch nachvollziehen, warum die Luxemburger so viel Wert auf ihre eigene Muttersprache legen."Wo liegt das Verbindende/Trennende?Molitor-Hostert: "Im nahen Grenzgebiet gibt es mehr Verbindendes als Trennendes: Wir haben Teil an derselben Kultur, die Menschen sind von derselben Wesensart. Der größte Unterschied liegt meiner Meinung nach in der Tatsache, dass der Luxemburger meist dreisprachig aufwächst und dass er unter anderem auch französischem Einfluss ausgesetzt ist, der ihn ebenfalls prägt."Löwenbrück: "Aus gemeinsamen grenzübergreifenden Chorprojekten habe ich durchaus positive Erfahrungen mitgenommen. Beim gemeinsamen Gesang konnte wohl keiner der Konzertbesucher eine Nationalität der Chormitglieder ausmachen." har

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