Islam Moscheen sind derzeit kein Diskussionsraum

Trier/Hermeskeil/Konz/Wittlich · Muslimische Gemeinden aus der Region nehmen Stellung: Wie viel Aufklärung und Verantwortung sie leisten können und müssen.

Die Moschee als Diskussionsraum
Foto: dpa/Axel Heimken

  In der Region gibt es mindestens zehn muslimische Gemeinden mit Gebetsraum oder Moschee. Eine in Trier, zwei in Konz, drei in Wittlich und je eine in Hermeskeil, Bitburg, Jünkerath und Gerolstein.

Mohammad El Hussein ist Vorsitzender des Islamischen Kulturzentrums Hermeskeil. Den Mord in Frankreich verurteilt er scharf. Als Gläubiger dürfe er zwar weder von Mohammed noch von Propheten anderer Religionen Karikaturen malen. Aber der Islam sei eine Vergebungsreligion. Wenn jemand Gott lästere oder beschimpfe, dann sei das Gottessache. „Kein Mensch darf einen anderen Menschen bestrafen für Gott“.

Diskutiert werde die Attacke aus Frankreich in der Moschee in Hermeskeil aber noch nicht. Gerade zu Zeiten der Pandemie sei die Moschee kein Begegnungsort, wo viel diskutiert werden könne. Es sei zwar üblich, dass der Imam in seiner Predigt auch aktuelle Ereignisse thematisiere, aber danach bete man zweimal und gehe nach Hause.

Nicht so in der Ahmadiyya-Muslim Jamaat Gemeinde in Wittlich: „Wir beteiligen uns regelmäßig an Diskussionen rund um das Thema Islam und Demokratie“, sagt Imran Ahmad Zafar, der Vorsitzende der Ahmadiyya Jugendorganisation in Wittlich. Die aktuelle Kampagne der Gemeinde ‚Wir sind alle Deutschland‘ (der TV berichtete) wirke ebenfalls genau in diese Richtung.

Er findet: „Wir als Muslime sehen uns selbstverständlich in der Verantwortung, für Aufklärung und den Dialog innerhalb der Gesellschaft zu sorgen.“ Jedoch wünscht er sich auch eine gesellschaftliche Haltung, die Propheten, Symbole, sakrale Elemente und Götter respektiere. „Diesen Respekt zollen auch wir“, so Zafar.

Von der sogenannten „islamischen Verteidigung“ seien Ahmadi-Muslime selbst betroffen, da viele ihrer in Deutschland lebenden Gemeindemitglieder vor diesen gewalttätigen Akten aus ihrem Heimatland Pakistan fliehen mussten. Ahmadi-Muslime seien dort oft Ziel der extremistischen Lesarten der vermeintlichen Gelehrten.

Der Anspruch der Jugend- und Bildungsarbeit seiner Gemeinde sei es, sich mit diesen Themen, aber auch mit islamischer und deutscher Geschichte, sowie mit Theologie und deutschen Grundwerten auseinanderzusetzen und dadurch eine starke Identität zu bilden. Zafar findet: „Eine religiöse und selbstbewusste Identität ist nur möglich, wenn auch eine Kritikfähigkeit angenommen und zugelassen wird.“

Yilmaz Yildiz, der seit 2011 Vorstandsvorsitzender des rheinland-pfälzischen Landesverbands der türkischen Moscheegemeinden (DiTiB) ist, spricht im Namen aller 51 DiTiB-Gemeinden in Rheinland-Pfalz. Der Wittlicher sagt: „Die menschliche Gesundheit ist gerade wichtiger, alles andere ist zweitrangig.“ Deshalb hätten auch die Moscheen nur notdürftig geöffnet. Die DiTiB-Moschee in Wittlich gilt als offen für Dialog mit Nicht-Muslimen und kooperiert auch mit der örtlichen Polizei (der TV berichtete). In der Gemeinde-Teestube seien Gespräche über aktuelle Themen zu Nicht-Pandemie-Zeiten möglich. Auch Vorträge und Veranstaltungen seien dann wieder geplant. Meistens predige der eigene Imam. Prediger von außen habe man selten.

DiTiB ist ein deutscher Verein mit Landesverbänden. Die Imame in den DiTiB-Moscheen werden aber von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsendet, geschult und bezahlt. Der Verband steht damit letztlich unter Kontrolle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Andere Vertreter der DiTiB-Gemeinden der Region melden sich auf Anfragen nicht zurück. Oder sagen, sie sollen zu dem Thema nicht mit der Presse sprechen.

Enrico Mathieu vom islamischen Kulturverein Konz erklärt sich die Zurückhaltung vieler Muslime zum Thema auch anders: „Nach jedem Anschlag einer solchen radikalisierten Person müssen wir uns leider rechtfertigen. Wir werden durch diese Taten in ein negatives Licht gerückt, obwohl wir mit solchen Menschen nichts zu tun haben.“ Als Muslime aber zum Beispiel in Christchurch, Neuseeland, im März 2019 Opfer eines Attentats gewesen seien, habe niemand gefragt, wie sich Muslime hier fühlen.

Der 33-jährige Modedesign-Student sagt: „Ein normaler Muslim ist so gottesfürchtig, der würde sich nicht trauen, solche schlimme Dinge zu tun.“ In seiner kleinen Gemeinde kenne man sich und würde merken, wenn jemand vom Pfad abkommen würde. Zur Risikovorsorge stehe man aber auch im direkten Kontakt mit der Polizei. Mit den Spendengeldern der Gemeinde könne man nur begrenzt selbst Aufklärungsarbeit leisten. SeitJahren sitze die Gemeinde aber mit anderen Religionen am runden Tisch des Bistums Trier. Die Predigt sei in den Kulturzentren Konz und Trier zudem auch auf Deutsch.

Mathieu wünscht sich, dass man öfter Geschichten erzählt, wie Muslime Teil dieser Gesellschaft sind. Er freut sich, dass neulich jemand in der Gruppe „Wir sind Konzer“ positiv über ein Gemeindemitglied geschrieben habe, der aus Respekt vor Allah und der Umwelt Zigarettenstummel aufgelesen habe.

Auf der Webseite des islamischen Kulturzentrums Trier schreibt die Gemeinde, dass ihre Koranschule derzeit etwa 30 muslimischen Kindern und Jugendlichen Sprachkurse in der arabischen Sprache und der islamischen Erziehung anbietet.

Jedes Jahr am 3. Oktober öffnen die Moscheen der Region ihre Türen. Dieses Jahr fiel der Tag der offenen Moschee in vielen Gemeinden wegen der Corona-Pandemie aus.

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