Die Mosel in Hessen, China in Trier

BERLIN. Internationale Tourismus-Börse – das klingt für den Laien nach einem netten Betriebsausflug der aktiven Teilnehmer nach Berlin. Tatsächlich absolvieren Touristiker bei der ITB ein strammes Programm, um Akquise für ihre Region zu betreiben.

In ihrer Anfangszeit in den 70er-Jahren hatte die ITB in Fachkreisen schnell ihren Spitznamen "Internationale Trinker-Börse" weg: Die Messe galt als Hort kollegialer Geselligkeit, wo nach Feierabend schon mal die hochprozentigen Regional-Spezialitäten kreisten. Diese folkloristische Spezialvariante, der mitunter komplette Kreisparlamente (mit-) frönten, gehört längst der Vergangenheit an. "Wer als Touristiker die ITB zur privaten Belustigung ausnutzt, der hat den Beruf verfehlt", sagt Hans-Albert Becker, Direktor der Tourist-Information Trier (TIT). Überzeugungsarbeit als Zukunftsinvestition

Der 49-Jährige ist seit 1980 jährlich in Berlin mit von der Partie, anfangs als Student. Die Teilnahme der TIT an der ITB, die sich von einer 30-Stände-Veranstaltung zur weltgrößten Reisemesse mit über 9000 Ausstellern entwickelt hat, bezeichnet Becker als "Pflicht". Warum, das lässt sich am Beispiel der TIT-Mitarbeiterin Patricia Ellendt verdeutlichen, die wie Becker und ihr ebenfalls nach Berlin mitgereister Kollege Christian Millen (42) einen strammen Einsatz in den Messehallen unter dem Funkturm und im ICC Berlin absolvierte. An nur einem Tag stehen ein halbes Dutzend Gesprächstermine und ein Workshop auf dem Programm der 32-jährigen TIT-Verkaufsleiterin. Zum Auftakt geht es um eine Fernsehsendung, die der Hessische Rundfunk für seine Magazin-Reihe "Service: Reisen" über Trier und die Mosel plant. "Das kommt bei unseren Zuschauern sehr gut an", weiß HR-Fernsehjournalistin Gesine Heß-Zinkand. Patricia Ellendt macht der Fernsehfrau aus Frankfurt Themen-Vorschläge für die 30-Minuten-Sendung, die Kultur- und Geschichtsinteressierte ansprechen, sich auch dem Wellness-Trend widmen will. Die Dreharbeiten finden im Juni statt. Das nächste Gespräch führt die Trierer Touristikerin mit einem Reiseveranstalter aus der Schweiz, der ab 2006 Deutschlands älteste Stadt als neues Reiseziel in seinen Katalog aufnehmen will. Man wird sich schnell einig: "Ich habe mit den Schweizern, deren Kunden anspruchsvolle Kulturinteressierte sind, ein entsprechendes Programm abgesprochen." 12.30 Uhr - Zeit zum Mittagessen? Nicht für Patricia Ellendt. Sie spricht mit Redakteuren eines touristischen Magazins, das in chinesischer Sprache erscheint und in einer der kommenden Ausgaben die Leser — Mitarbeiter chinesischer Reisebüros und Reiseveranstalter - über die Geburtsstadt von Karl Marx informiert. Bildungsreisen für Oberstufen-Schüler und Studenten stehen im Mittelpunkt des anschließenden Gesprächs mit einem deutschen Reiseveranstalter. "Auch für diese Zielgruppe haben wir jede Menge zu bieten", sagt Patricia Ellendt. Überzeugungsarbeit als Investition in die Zukunft: "Schließlich müssen wir uns ja auch um den Gäste-Nachwuchs kümmern." Eine Verschnaufpause ist noch immer nicht in Sicht, dafür aber ein dreistündiger Workshop zum Thema "Was man chinesischen Touristen bieten muss". Dort trifft Patricia Ellendt ihren Chef wieder - als Referenten: Hans-Albert Becker stellt mit Kollegen aus Hessen und Köln Praxis-Beispiele vor. Nichts ganz Neues für Patricia Ellendt. Ihre Mission beim Workshop: mit Branchenvertretern und Presseleuten reden. "Darin liegt für uns einer der Hauptgründe, mit drei Leuten die ITB zu besuchen. Der persönliche Kontakt zu den Veranstaltern und Journalisten ist eminent wichtig. Man kann so viel besser die potenziellen Kunden und Gäste ansprechen, Interessen einschätzen und direkte, für den Kunden passende Vorschläge anbringen, Angebote erstellen und damit überzeugen." Der Lohn der Mühen: Seit Jahren steigende Gästezahlen in Trier.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort