Die Nacht der braunen Schergen

Schweich/Saarburg/Trier · Der 9. November 1938 veränderte das Leben für die noch in der Region lebende jüdische Bevölkerung radikal. Nach Augenzeugenberichten trauten sich nach den geplanten Gewaltaktionen rund um die Pogromnacht viele Juden nicht mehr auf die Straße. Es folgten Zwangsumzug nach Trier, Deportation und bis auf wenige Ausnahmen der Tod.

Schweich/Saarburg/Trier. Es geschah nicht nur in Berlin, Hamburg oder München. Auch in Orten im heutigen Landkreis Trier-Saarburg haben vor 75 Jahren Synagogen gebrannt. In Oberemmel und Freudenburg wurde Feuer gelegt. Andere jüdische Gotteshäuser wie in Trier oder Schweich wurden zwar nicht ein Raub der Flammen. Sie wurden jedoch demoliert.
Historiker Rudolf Müller hat nun in einem Vortrag in Welschbillig über das Thema "Jüdische Gemeinden in Trier-Saarburg und ihre Auslöschung im Dritten Reich" referiert. Er hat dabei auch aufgezeigt, wie jüdische Mitbürger nach und nach aus der Gesellschaft gedrängt und wie sie später Opfer der Nationalsozialisten wurden.
Drei Zahlen belegen, wie das Verdrängen und Auslöschen vor sich ging. So sank der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung in den damaligen Landkreisen Trier und Saarburg von 824 im Jahr 1933 auf 344 im Jahr 1938. "1945 waren es wahrscheinlich 0", sagt Müller. Es hat sich jedoch nicht um einen kontinuierlichen Prozess gehandelt. "Anfangs ging es vor allem darum, die Juden zur Ausreise aus Deutschland zu drängen", sagt er. Die Nazis änderten später diese Taktik. "Die jüdischen Bürger aus dem kompletten Bezirk mussten nach Trier ziehen." Am 16. Oktober 1941 ging dann der erste Transport ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz). "Von den 518 Menschen bei diesem Transport haben 15 überlebt", sagt Müller.
Zu diesem Zeitpunkt lag die Pogromnacht knapp drei Jahre zurück. Bei dieser Aktion wurden jüdische Gebetshäuser und Friedhöfe geschändet und verwüstet. "Aber auch Geschäfte jüdischer Bürger und deren Wohnungen waren Ziel der Randalierer", sagt Müller. Für den Historiker steht außer Frage, dass es vor allem die Mitglieder der Sturmabteilung (SA) aus den jeweiligen Orten oder benachbarten Gemeinden waren, die am 9. und 10. November 1938 aktiv wurden.
Und die normalen Bürger? "Es gibt da kein einheitliches Bild", sagt Müller (siehe Extra). Die einen stellten sich Plünderern mehr oder wenig offen entgegen, andere sahen weg und wieder andere klatschten Beifall. Es waren eben diese Bürger, die bis 1933 ganz normal mit und neben Juden gelebt hatten, sagt Rudolf Müller.Extra

Inzwischen ist die Geschichte der Juden im Landkreis in mehreren Beiträgen aufgearbeitet worden. Zu den Ereignissen bei der Pogromnacht schreibt Hermann Erschens für Leiwen, dass am 10. November 1938 eine Gruppe von 50 bis 60 Personen zum Haus von Moses und Franziska Schloß in der Klostergartenstraße gezogen ist. Ein Dutzend Leute dringt in das Haus ein. "Man verhöhnte und verspottete die Eheleute Schloß, zerschlug Gläser, Porzellan, Fensterscheiben, einen Kerzenleuchter, demolierte die Schränke und nahm ihr Radiogerät mit", heißt es. Später wird Schloß mit vorgehaltener Pistole gezwungen, die Tür zur Synagoge zu öffnen. Dort werden Bänke, Fenster und Kultgegenstände zerstört. Jüdische Mitbürger müssen auf einer Wiese an der Mosel unter anderem die Thora-Rollen aus der Synagoge selbst anzünden. Über Butzweiler berichtet Klaus Pauli, dass ein Kommando der SA aus Trier am Morgen des 10. November in die Synagoge eingedrungen ist. Diese wird ebenso verwüstet wie Wohnhäuser jüdischer Mitbürger sowie der Friedhof. Um Mitternacht werden alle Juden auf einem LKW an die luxemburgische Grenze gebracht, um sie ins Nachbarland abzuschieben. Pauli: "Im Dunkel der Nacht wird das, was nicht zerschlagen ist, gestohlen, in der Meinung, dass die Besitzer nie mehr zurückkommen." Sie kommen kurze Zeit später wieder zurück. "Nur im äußersten Notfall betreten sie noch die Straße. Kein ,Guten Morgen - Guten Abend\\' geht her- und hinüber, alles duckt sich vor dem großen, braunen Bruder", schreibt Pauli. harExtra

 Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

 Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

 Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

 Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

 Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Eine Installation mit Stacheldraht erinnert in der Synagoge in Wittlich an die Verfolgung der Juden. TV-Foto: Archiv/Harald Jansen

Jüdische Friedhöfe gibt es heute noch in Aach, Butz-weiler, Fell, Hermeskeil, Kordel, Leiwen, Mehring, Schweich, Trittenheim, Saarburg-Niederleuken, Kirf, Konz, Konz-Könen, Konz-Oberemmel, Niederzerf sowie in Trier. Was aus den Synagogen und Beträumen wurde: Schweich: restauriert, Wawern: restauriert, Aach: Wohnhaus, Freudenburg: Ruine 1962 abgerissen, Hermeskeil: zerstört im Krieg, Kirf: Schmiede und Wohnhaus, Klüsserath: Scheune und Lager, Konz: Wohnhaus, Konz-Könen: Scheune, Konz-Oberemmel: abgerissen, Leiwen: abgerissen, Mehring: Wohnhaus, Niederzerf: zerstört im Krieg, Saarburg: abgerissen, Trittenheim: Gastwirtschaft. Trier: Alte Synagoge am Zuckerberg: zerstört. Quelle: Rudolf Müller har

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