Die nervende Suche nach einem freien Platz

Trier · Zwei Jahre Wartezeit für einen Kita-Platz sind in Trier nicht ungewöhnlich. Nach welchen Kriterien die Einrichtungen die heiß begehrten Betreuungsplätze vergeben, ist allerdings häufig unklar. Bei 56 der insgesamt 60 Kitas in Trier hat die Stadt keinen Einfluss auf die Vergabepraxis.

Trier. Ben war noch im Bauch, da machten sich seine Eltern Claudia und Johannes (alle Namen geändert) schon auf die Suche: In vier Kindertagesstätten rund um den Petrisberg fragten sie wegen eines Betreuungsplatzes an. Nicht etwa fürs Säuglingsalter. Erst mit zwei Jahren sollte Ben in eine Kita gehen. "Aber wir wollten früh genug dran sein", sagt Vater Johannes. Tatsächlich sind vorgeburtliche Kita-Anmeldungen in Trier üblich.
Regelmäßig hakte das Paar telefonisch bei den Einrichtungen nach. Doch 24 Monate später gab\'s immer noch keine Zusage. Die Eltern wandten sich an die Stadt. Schließlich haben Zweijährige seit Oktober 2010 in Rheinland-Pfalz einen Rechtsanspruch auf staatliche Betreuung. "Eine Kita konnte die Stadt uns zwar auch nicht vermitteln, aber das Jugendamt sagte uns zu, die Kosten für eine Tagesmutter zu übernehmen", erzählt Johannes. Mit der Obhut in einer kleinen Gruppe bei einer Tagesmutter sind die Eltern nun zufrieden. "Probleme gibt es nur, wenn die Tagesmutter krank ist - dann müssen wir uns selbst um eine Alternative kümmern", sagt der Vater.
Beim zweiten Sohn haben sich Claudia und Johannes erst gar nicht mehr auf die langwierige und unsichere Suche nach einem Kita-Platz eingelassen: Ihn versorgt eine Kinderfrau, die das Kind bei der Familie zu Hause betreut. "Was mich an der Kita-Suche für Ben besonders geärgert hat, war, dass es keine Transparenz gibt. Die Einrichtungen sagen nicht, wie lang ihre Wartelisten sind oder nach welchen Kriterien die Plätze vergeben werden", kritisiert Johannes. Zum Beispiel, ob Eltern, die gegen einen Mitgliedsbeitrag den Fördervereinen der Kitas beitreten, schneller eine Zusage erhalten.
Kaum Transparenz


Selbst die Stadtverwaltung weiß offenbar nicht viel über Wartelisten und Vergabepraxis der Kitas. "Für die Belegung der Betreuungsangebote sind die Träger der Einrichtungen verantwortlich. Eine zusammengefasste Auswertung der Wartelisten liegt nicht vor", erklärt der städtische Pressesprecher Ralf Frühauf auf TV-Anfrage. Da von den 60 Kitas in Trier nur vier der Stadt gehören, 41 in kirchlicher und 15 in freier Trägerschaft sind, hat die Stadt demnach kaum Überblick und Einfluss darauf, wer nach welchen Kriterien einen Betreuungsplatz erhält. Sein Recht auf einen Betreuungsplatz hat in Trier allerdings bisher noch niemand eingeklagt, erklärt Rathaussprecher Frühauf. Vater Johannes wundert das nicht: "Viele Eltern haben wohl Angst davor, dass bei einem eingeklagten Betreuungsplatz das Verhältnis zu den Erzieherinnen getrübt sein könnte." Wer will schon gern als Klagevater oder -mutter dastehen, noch bevor man die Betreuerinnen seines Kindes überhaupt kennengelernt hat?
Ab August könnte sich die Situation weiter verschärfen: Dann haben auch Einjährige einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Bis Ende 2013 will die Stadt für rund 32 Prozent aller 844 einjährigen Trierer Kinder Betreuungsplätze in Kitas oder bei Tagesmüttern einrichten. Bedarf haben bei einer Umfrage allerdings 65 Prozent der Eltern von Einjährigen angemeldet (siehe Extra).

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Gerechte Vergabe
Den Kitas Willkür zu unterstellen bei der Entscheidung, wie sie die knappen Betreuungsplätze vergeben, wäre ungerecht. Aber dass hier vielleicht der Professor, der eine satte Summe an den Kita-Förderverein spendet, kurzfristig einen Ganztagesplatz fürs Töchterchen erhält, und dort die Mutter, die gut mit der Kita-Leiterin bekannt ist, ohne Wartezeit eine Zusage für einen Platz bekommt, ist in Trier offenbar nicht selten. Die Kinder, deren Eltern kein Geld für eine Spende haben oder nicht so gut vernetzt sind, bleiben auf der Strecke. Dass die Öffentlichkeit keinen Einfluss auf die Platzvergabe hat, muss sich ändern. Immerhin übernimmt die Stadt auch bei Kitas, deren Träger die Kirche oder Vereine sind, mindestens 90 Prozent der Sach-, Bau- und Personalkosten. Die Kitas könnten ihre freien Kapazitäten dem städtischen Jugendamt melden, das eine zentrale Bedarfsliste führt und die Plätze nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien vergibt, zum Beispiel Wartezeit und berufliche Situation der Eltern. So würde auch ein weiteres Problem gelöst: Weil viele Eltern ihre Kinder gleich bei mehreren Einrichtungen auf die Warteliste setzen, diese allerdings nicht miteinander abgeglichen werden, gibt es keinen verlässlichen Überblick, wie groß Nachfrage überhaupt ist. c.wolff@volksfreund.deExtra

In Trier gab es am Stichtag 31. Dezember 2603 Kinder unter drei Jahren, davon 886 Zweijährige, 844 Einjährige und 873 Kinder, die noch kein Jahr alt sind. Betreuungsplätze für unter Dreijährige gibt es in Trier zurzeit 640 in Kitas und 190 bei Tagesmüttern. Bis Ende 2013 sollen 99 weitere Betreuungsplätze dazukommen. Von den aktuell 640 U-3-Kita-Plätzen stehen zurzeit rund 218 Plätze für Einjährige zur Verfügung, 26 Plätze für Einjährige gibt es zusätzlich bei Tagesmüttern. Damit stehen für rund 29 Prozent der 844 Trierer Einjährigen Betreuungsplätze zur Verfügung, bis Jahresende soll durch den Neu- und Ausbau von Kitas die Quote auf 32 Prozent steigen. Die Nachfrage liegt allerdings deutlich darüber: Laut einer Umfrage der Stadt haben 40 Prozent der Eltern von Einjährigen Bedarf an einem Kita-Platz angemeldet, zusätzlich wollen 24,9 Prozent einen Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter. Bei den Zweijährigen ist die Quote etwas besser: Für die 886 zwei Jahre alten Kinder in Trier gibt es aktuell 422 Plätze in Kitas und rund 160 Betreuungsplätze bei Tagesmüttern. Das entspricht einer Angebotsquote von 66 Prozent. Bis Ende des Jahres will die Stadt das Platzangebot für Zweijährige auf 74 Prozent aufstocken (siehe Bericht über den neuen Waldkindergarten, Seite 8). Die Elternumfrage hat allerdings eine Nachfrage von gut 89 Prozent ergeben. woc

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