Die Nöte der Notfallmedizin

Das Zentrum für Notaufnahme des Brüderkrankenhauses in Trier versorgt zwischen der Vulkaneifel und der saarländischen Grenze pro Jahr 28 000 Patienten. Dr. Eckart Wetzel, der Leiter des Zentrums, spricht mit dem TV über System, Struktur und aktuelle Probleme der Notfallmedizin.

 Bereit für den Notfall: Oberarzt Markus Baacke bereitet den Schockraum für den nächsten Schwerverletzten vor. Foto: privat

Bereit für den Notfall: Oberarzt Markus Baacke bereitet den Schockraum für den nächsten Schwerverletzten vor. Foto: privat

Trier. Zehn Ärzte kümmern sich zusammen mit 30 Schwestern und Pflegern rund um die Uhr um den Strom von Notfallpatienten. "Ruhig ist es nie", sagt Eckart Wetzel. "Das liegt in der Natur der Sache." Bis zu 120 Patienten pro Tag brauchen Hilfe. Unfallopfer, Schlaganfall- und Herzinfarkt-Patienten, Drogen- und Alkoholabhängige. Platzwunden, Knochenbrüche, Herz- und Kreislaufversagen.

Unfälle: Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier ist eines der fünf notfallmedizinischen Zentren in Rheinland-Pfalz. "Wir nehmen Unfallopfer aus dem Großraum zwischen der Vulkaneifel über die Mittelmosel und die Stadt Trier bis zum Raum Saarburg auf", sagt Wetzel.

Der Schockraum für Schwerstverletzte und schwer Herz-Kreislauf-Erkrankte liegt direkt neben der Krankenwageneinfahrt. "Wenn der Patient hier eintrifft, stehen ein Anästhesist sowie ein Unfall- und ein Neurochirurg bereit", sagt der Leiter der Notaufnahme. Bis zu 400 Schwerverletzte versorgt die Notaufnahme pro Jahr. "Das ist im Vergleich mit den Notaufnahmezentren in Koblenz oder Kaiserslautern nicht auffällig", sagt Oberarzt Markus Baacke, der stellvertretende Leiter.

Alkohol und Drogen: "Trier ist eine Stadt mit einer Anhäufung sozialer Brennpunkte, in denen die Menschen für Abhängigkeiten anfällig sind", sagt Eckart Wetzel. 90 Prozent aller Drogenfälle, die in der Notaufnahme des Brüderkrankenhauses versorgt werden, hängen mit Alkoholmissbrauch zusammen. "Viele der Betroffenen kommen von selbst zu uns, weil ihr Leidensdruck zu groß wird oder auch ihre Familie die Situation nicht mehr erträgt." Der Leiter berichtet von schweren Alkoholikern, die mit mehr als drei Promille in der Notaufnahme landen. Die restlichen zehn Prozent der Drogenfälle setzen sich zusammen aus Medikamentenmissbrauch und Drogen wie Kokain und Cannabis. "Partydrogen sind sehr seltene Fälle bei uns, nicht mehr als fünf im Halbjahr", so Wetzel.

Probleme: Die Finanzdebatte prägt das gesamte Gesundheitswesen und erfasst auch die Notfallmedizin. Denn nicht nur Schwerverletzte oder Opfer eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes landen in der Notaufnahme.

"Wir müssen auch die Patienten untersuchen, die mit unklaren Symptomen zu uns kommen", erklärt Eckart Wetzel: Brust- und Bauchschmerzen, Unwohlsein, Atemnot. Nicht selten stellt sich nach aufwendigen Untersuchungen heraus, dass der Patient absolut kein Notfall ist und auch vom Hausarzt hätte versorgt werden können.

Wetzel stellt klar: "Es ist richtig, dass diese Patienten sich melden, und es ist wichtig, den Verdacht auf einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sofort auszuschließen. Aber für diese ambulante schnelle Abklärung erhalten wir nur einen Bruchteil der Kosten, die dem Krankenhaus tatsächlich entstehen. Das System stützt die Notfallmedizin in diesem Punkt nicht."

Dabei fordert dieses System gerade von der Notfallmedizin besonders viel. "Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland immer noch keine Fachausbildung zum Notfallmediziner", erklärt Wetzel. "Unsere Ärzte kommen aus ihren jeweiligen Fachbereichen wie der Unfall- oder Neurochirurgie und setzen ihre Fähigkeiten dann in der Notaufnahme ein."

Eine Fachausbildung sei dringend notwendig und überfällig. "Die Medizin hält heute ein enorm breitgefächertes Angebot an Fächern und Disziplinen vor. Der Notfallmediziner muss unter hohem Zeitdruck entscheiden und diagnostizieren können, wo genau das Hauptproblem des Patienten liegt."

Interview mit Dr. Eckart Wetzel, Leiter der Notaufnahme im Brüderkrankenhaus.

Die Ärzteschaft ist in Film und Fernsehen sehr beliebt. Was hält der Profi von der Schwarzwaldklinik?

Eckart Wetzel: Fachlich gesehen nichts. Viele Sendungen befriedigen die Sensationsgier der Zuschauer und haben mit medizinischer Realität nichts zu tun. Der Unterhaltungswert ist dennoch hoch. Beeindruckend realistisch war dagegen die US-Serie Emergency Room. Das war quasi eine Fortbildung.

Wie hoch ist der Druck, der auf einem Arzt in der Notaufnahme lastet?

Eckart Wetzel: Enorm. In keinem Fachgebiet ist der Druck so hoch wie in der Notfallmedizin.

Gibt es eine zentrale Botschaft, die Sie Ihren potenziellen Patienten mitgeben möchten?

Eckart Wetzel: Ja, die gibt es. Gerade bei Herzinfarkten und Schlaganfällen sind die Anfangssymptome oft nur diffus und scheinen harmlos: Übelkeit, Schwindel, Druck in der Brust. Bitte hier auf keinen Fall abwarten, bis der Hausarzt nächste Woche wieder Sprechstunde hat, sondern sofort Hilfe suchen. Es geht oft wirklich um jede Minute. (jp)

Extra

Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier ist ein Schwerpunktkrankenhaus und akademisches Lehrkrankenhaus mit 562 Planbetten, 15 Fachabteilungen und 2100 Mitarbeitern. 27 000 Patienten werden pro Jahr stationär versorgt, 50 000 ambulant - mehr als die Hälfte davon in der Notaufnahme. Träger des Hauses ist der Barmherzige Brüder Trier e. V., eine Gruppe mit 30 Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens deutschlandweit. Die Notaufnahme deckt die gesamte Großregion Trier ab, ist aber auch Bestandteil eines medizinischen Netzwerks. So hat das Trierer Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie, Gynäkologie, HNO und Geburtshilfe, die im Brüder krankenhaus nicht vorhanden sind. Deshalb landen beispielsweise Unfallopfer unter 16 und werdende Mütter direkt im Mutterhaus. (jp)

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