"Die Opfer bleiben verunsichert zurück"

Trier · Er wollte eine Frau vor ihrem aggressiven Freund schützen: Paul Trappen hat im März den Preis der Stadt Trier für Zivilcourage erhalten. Diese Zivilcourage habe einen "faden Beigeschmack", sagt er heute. Denn der besagte Freund bleibt trotz einer langen Vorstrafenliste in Freiheit.

 Paul Trappen wollte einen Streit gewaltfrei schlichten, wurde dabei verletzt und kritisiert das milde Urteil. Sein Großvater galt als stärkster Mann seiner Zeit (siehe Extra). Hier zeigt Trappen ein Dokument von 1913, das belegt, wie sein Opa zwei Ochsen hochhebt. TV-Foto: Archiv/Mechthild Schneiders

Paul Trappen wollte einen Streit gewaltfrei schlichten, wurde dabei verletzt und kritisiert das milde Urteil. Sein Großvater galt als stärkster Mann seiner Zeit (siehe Extra). Hier zeigt Trappen ein Dokument von 1913, das belegt, wie sein Opa zwei Ochsen hochhebt. TV-Foto: Archiv/Mechthild Schneiders

Trier. "Ich kann dieses Urteil nicht verstehen", sagt Paul Trappen. "Der Täter bleibt frei, die Opfer bleiben verunsichert zurück." Das Amtsgericht Trier hat den Angreifer, vielfach vorbestraft und unter einer zweifachen Bewährung stehend, wegen zweifacher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer weiteren Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Vor einem Jahr hat Trappen (47) eingegriffen, als er in der Trie rer Innenstadt Zeuge eines lauten Streits zwischen einem Mann und einer Frau wurde. Zusammen mit einem weiteren Passanten ging Trappen dazwischen - gewaltlos, aber konsequent. "Wir wollten schlichten und der Frau helfen", sagt er. "Der Mann war sehr aggressiv. Wir haben befürchtet, dass die Lage eskaliert. Ich habe mich dazwischengestellt"
Die Lage eskalierte tatsächlich - aber nicht die Frau geriet in Gefahr, sondern Trappen und der andere Helfer, der anonym bleiben will. Der Mann griff beide an: Trappen erhielt einen Faustschlag ins Gesicht, den zweiten Passanten schlug der Angreifer zu Boden und trat laut Aussage des Opfers dann noch mehrmals zu. Zeugen des Geschehens mussten ihn abdrängen und wegziehen.
Der Frau - sie ist bis heute die Lebensgefährtin des Angeklagten - geschah nichts. "Wir streiten sehr oft", sagte sie später vor Gericht. Die beiden Helfer wurden verletzt, der Aggressor angeklagt.
Ein psychiatrisches Gutachten sollte die Schuldfähigkeit des Angeklagten klären - so kam die Distanz von einem Jahr zwischen Tat und Verhandlung zustande. Unter dem Vorsitz von Strafrichter Hans-Jürgen Ferring wurde der Fall, der zur Verleihung des ersten Trierer Preises für Zivilcourage führte, vor einigen Tagen noch einmal aufgerollt.
Der Angeklagte ist algerischer Staatsbürger und arbeitet als Koch in einem Restaurant, das seine Lebensgefährtin betreibt. Mit dieser habe er gestritten, räumte er ein. Lautstark. Dann kamen die beiden Helfer. Den Faustschlag gegen Paul Trappen - "Ich hatte eine dicke Schwellung im Gesicht und eine Woche lang Kopfschmerzen" - stritt der Angeklagte ab, lediglich ein kurzes Gerangel räumte er an. Den Angriff auf den zweiten Helfer gab er zu. "Ich habe die Kontrolle verloren." Der Passant erlitt eine stark blutende Wunde im Gesicht, seine Brille wurde zerstört. "Als ich am Boden lag, trat er noch auf mich ein", sagte das Opfer aus.
Ausraster dieser Art hat der Angeklagte laut eigener Aussage öfter. Seine Vorstrafenliste ist lang und reicht weit zurück, der erste Eintrag ist 20 Jahre alt. "Wir kennen uns ja schon lange", sagte Richter Ferring. "Sie haben immer wieder die Nerven verloren." 2008 ist der Angeklagte wegen Körperverletzung verurteilt worden, 2011 wegen Beleidigung und Hausfriedensbruch. In beiden Fällen gab es Bewährungsstrafen, deren Fristen noch laufen. Seine Bewährungshelferin sagte vor Gericht aus, sie sei kurz davor, das Handtuch zu werfen - und damit wäre sie bereits die vierte.
Der psychiatrische Gutachter bescheinigte dem Angeklagten eine Impulskontrollstörung. Richter Ferring verurteilte ihn zu zehn Monaten - wieder auf Bewährung. "Er hat zwar verantwortlich und schuldhaft gehandelt, war aber in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt", begründete der Vorsitzende das Urteil. Diese Einschränkung müsse berücksichtigt werden.
"Meiner Meinung nach wird auch die dritte Bewährung nichts bewirken", sagte der Träger des Preises für Zivilcourage nach der Verhandlung. "Außer der Tatsache, dass er der Justizvollzugsanstalt noch mal entgangen ist."Extra

Paul Trappen senior (1887-1957) ist eine Legende. Der Metzger aus Heidweiler (Kreis Bernkastel-Wittlich) betrieb eine Gaststätte, das Rippchenhaus in der Simeonstraße, und war ein Superstar seiner Zeit. Zwar nahm er nie an Olympischen Spielen teil, hob und stemmte aber größere Gewichte als alle Weltklasse-Athleten. Für eine Wette mit einem Fleischermeister aus Köln hob Trappen 1913 über ein Gestell mit einer Kette über seinen Schultern zwei Ochsen mehr als 40 Zentimeter hoch. jp

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