Die Rückkehr ein Triumphzug

TRIER. Viele Menschen wurden im Herbst 1944 aus Trier evakuiert. Dass sich die Zeit auf dem Lande nicht immer problemlos gestaltete, zeigt dieser Zeitzeugenbericht von Wolfgang Zahnhausen.

Am 27. April 1945 kehrte unsere mittlerweile siebenköpfige Familie nach langer Evakuierungszeit endlich nach Trier zurück. Was war seit Herbst 1944 geschehen? Am Abend des 12. September setzte Artilleriebeschuss ein und hinterließ auch in Trier-Nord eine Spur der Zerstörung. Eines der zahlreichen Geschosse drang durch das Dach unseres Hauses, raste durch mehrere Zimmer des Nachbarhauses und landete schließlich im Hof - als Blindgänger in der Heringstonne. Wenige Tage später bestieg unsere Familie den Zug Richtung Hochwald nach Bierfeld. Von dort marschierten wir bei Nacht und Nebel mit Sack und Pack nach Sitzerath, wo wir von Verwandten aufgenommen wurden. Unsere Familie wohnte dort nur in einem einzigen Zimmer. Deshalb ging Vater in den folgenden Monaten mehr als einmal zu Fuß nach Trier und zurück, auch um daheim nach dem Rechten zu sehen. Ende Januar 1945 kam meine jüngste Schwester im Keller des Hermeskeiler Krankenhauses bei Kerzenlicht und ohne Heizung zur Welt, während draußen die Bomben niedergingen. Der Januar war ziemlich kalt und brachte sehr viel Schnee. Wir Kinder hatten wenigstens unseren Spaß beim Rodeln. Ich selbst besuchte so lange das noch möglich war, die Sitzerather Dorfschule. Am 16. März erreichten uns von Norden her aus Richtung Grimburg amerikanische Truppen. Mit dem Einzug der Amerikaner schwiegen Bomben und Granaten. Das Schlimmste war überstanden. Die deutschen Soldaten, die sich im Tanzsaal der Gastwirtschaft unserer Verwandten einquartiert hatten, waren über Nacht wie vom Erdboden verschwunden. Ich möchte nicht verschweigen, dass es im Laufe unseres siebenmonatigen Exils, das sich auf sehr engem Raum abspielte, wegen politischer Differenzen zu heftigem Streit mit unserer Gastgeberfamilie gekommen ist. Mein Vater hat aus seiner Gegnerschaft zum Nazi-Regime nie einen Hehl gemacht. Das hat ihn mehr als einmal in brenzlige Situationen gebracht. Unter dem Streit mit unseren Verwandten haben vor allem wir Kinder gelitten. Die Lage hat sich erst nach Jahren wieder entspannt. Die Rückfahrt über Wadrill, Waldweiler, Zerf, Pellingen nach Trier auf einem offenen Lastwagenanhänger, gezogen von einem Traktor, der mit Holzgas angetrieben wurde, gestaltete sich für uns zu einem wahren Triumphzug. Unser Haus in der Petrusstraße war trotz des Artillerietreffers noch glimpflich davongekommen. Nun begann für uns die Stunde Null. Wolfgang Zahnhausen wurde 1937 geboren, ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Seit 30 Jahren wohnt er im Trierer Stadtteil Mariahof.

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