Die Schadenssumme schmilzt dahin

Trier · Der langwierige Prozess gegen einen ehemaligen Trierer Discobetreiber, dem die Beschäftigung von über 100 Scheinselbstständigen vorgeworfen wird, erreicht die Zielgerade. Erste Zeichen für eine milde Verurteilung beim Schöffengericht sind zu erkennen..

Trier. Die Anklage gegen den 45-jährigen Italiener klang beim Prozessauftakt Ende Februar noch spektakulär: Insgesamt 161 Personen sollte der Angeklagte zwischen 2005 und 2013 in seinen Trierer Discotheken- und Gastronomiebetrieben unter dem Deckmäntelchen der Scheinselbständigkeit beschäftigt haben. Auf diese Weise habe der Mann die Zahlung der Arbeitgeberpflichtbeiträge für Kranken- und Rentenversicherung umgangen. Den Schaden gaben die Versicherungen damals mit rund 540 000 Euro an.
In zahlreichen Verhandlungstagen hat sich das Trierer Schöffengericht inzwischen durch Aktenberge voller Zahlenkolonnen und unzählige Zeugenanhörungen durchgearbeitet. Das Ergebnis: Die Summe des ursprünglich von den Versicherungen angegebenen Gesamtschadens schmilzt wie Schnee in der Sonne. Verteidiger Andreas Ammer und Oberstaatsanwalt Wolfgang Spieß sind sich im Grundsatz inzwischen einig, dass die über eine halbe Million Euro Schaden, nach der sich das Strafmaß richten würde, bei weitem nicht mehr haltbar ist.
In der jüngsten Sitzung am gestrigen Montag hatte das Gericht weitere vier ehemalige Mitarbeiter des Angeklagten als Zeugen geladen. Sie alle waren in der ehemaligen Trierer Event-Disco "Forum" tätig - einige als Angestellte im Gastronomiebereich mit regulärer Entlohnung, später als selbständige Discjockeys, Gestalter oder sogar als Innenarchitekten für ein Wohnbauprojekt des Angeklagten. Die Ergebnisse der Zeugenanhörungen am Montag glichen denen der vorangegangenen Verhandlungen: Tatsächlich bestand ein nicht unbeträchtlicher Teil der damaligen Mitarbeiter aus "echten Selbständigen", deren Einkommen aus der Schadenssumme herausgerechnet werden muss.
Hinzu kommt: Die von den Versicherungen als Grundlage für ihre Schadensberechnung angegebenen Einkommen entsprechen nicht der Wirklichkeit. So wurden beispielsweise aus einen realen Einkommen von 1200 bis 1800 Euro laut Deutscher Rentenversicherung rund 4000 Euro, nach denen sich der Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungen hätte richten sollen. "Dieses Traumeinkommen hätte ich gerne gehabt", war seit Prozessbeginn von fast 100 Zeugen zu hören, als sie "ihre" Zahlen vorgehalten bekamen.
"Das sind Hochrechnungen der Rentenversicherung, deren Basis sich uns entzieht", sagte am Montag auch Vorsitzender Richter Hans-Jürgen Ferring. Vor der nächsten Sitzung wird Oberstaatsanwalt Spieß die Berechnungsgrundlagen bei der Rentenversicherung erkunden, und Verteidiger Ammer vergleicht die tatsächlich gezahlten Einkommen mit den Versicherungsangaben. Ammer zum TV: "Am Ende bleibt ein Minimum der ursprünglichen Schadenssumme."
Die Verhandlung wird am 12. Juni, 10.30 Uhr, im Saal 44 fortgesetzt.

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