Die Stunde der Patrioten

TRIER. Deutliche Worte fand der Mainzer Finanzminister Gernot Mittler gestern beim Neujahrsempfang der SPD Trier für die rechtsextreme NDP, die am Freitag im sächsischen Landtag für einen Eklat gesorgt hatte. Mittler sprach von "Gesocks" und erntete anhaltenden Beifall.

Es war keine der üblichen Reden, mit denen die Trierer Sozialdemokraten ihre Neujahrsempfangs-Gäste in den Viehmarkt-Thermen konfrontierten. Keine lokalpolitische Standortbestimmung, kein Mutmacher- oder Durchhalte- oder Rechtfertigungs-Sermon und auch keine Verkündigung von sozialromantischen Utopien, deren Verfallsdatum das der nächsten Wahlen nicht überschreitet. Gernot Mittler blickte über den rheinland-pfälzischen Tellerrand hinaus und war dennoch ganz nah an Herzen und Gemütern seiner rund 150 Zuhörer.Von Daisy und echten Waisen

Der 65-jährige SPD-Politiker lenkte zu Beginn seiner bewegenden und ohne Redemanuskript vorgetragenen Ansprache den Blick auf die einen Monat zurück liegende Flutkatastrophe in Südostasien und forderte "mehr Demut. Die täte uns gut". Die enorme Spendenbereitschaft der Deutschen nannte er ermutigend. Die Folgen des Tsunamis, der allein in Indonesien schätzungsweise 12 000 Lehrern das Leben kostete, würden "uns noch mindestens eine Generation lang beschäftigen. Und sie machen uns deutlich: Wir leben tatsächlich alle in der einen Welt”. Und wenn die Kamera "in unserer Event-gierigen Welt auf den Hund Daisy schwenkt, dann dürfen wir dennoch nicht das Schicksal der Waisenkinder in Rumänien, Bosnien und im Sudan vergessen". Den Deutschen und insbesondere den Rheinland-Pfälzern geht es laut Mittler gut. Misstrauen in Stärke und Innovationskraft des Wirtschaftsstandortes Deutschland sei ebenso wenig angebracht wie ein Ausruhen auf altem Lorbeer. Mittler plädierte für einen neuen Patriotismus. Freilich keinen klein geistig und ausschließlich nationalen, sondern einen europäischen. Sein Vater sei im und nach dem Zweiten Weltkrieg als Soldat in Frankreich gewesen - "Erst als Besatzer, dann als Kriegsgefangener. Mein Sohn hat in Montpellier Medizin studiert. Das ist Europa. Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass Europa nicht nur eine ökonomische Veranstaltung ist." Die NPD und ihre Abgeordneten, die am Freitag im Dresdner Landtag den Plenarsaal verließen, als sich die anderen Parlamentarier zu einer Schweigeminute für die Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Nazi-Regimes erhoben, kritisierte er mit deutlichen Worten: "Das ist Gesocks. Da müssen wir ganz genau hinschauen." Auschwitz werde "nie verjähren, diese Wunde wird nie verheilen". Wer den Opfern von Auschwitz das Gedenken verweigere, der verweigere sich dem Grundgesetz. Die rund 150 Veranstaltungsgäste, darunter zahlreiche hochrangige Vertreter aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben, zollten Mittler Anerkennung, applaudierten mehrfach während der Rede und zollten anschließend lang anhaltenden Beifall. Der Neujahrsempfang war der erste öffentliche Auftritt der rheinland-pfälzischen Sozial-, Familien- und Gesundheitsministerin Malu Dreyer (42) als neuer Trierer SPD-Chefin. Zugleich war es ihr dritter Auftritt bei dieser Polit-Veranstaltung: "2003 war ich die Rednerin, und im vergangenen Jahr war ich als Sympathisantin der SPD hier." Die mit dem Trierer und Ex-Staatssekretär Klaus Jensen verheiratete neue Vorsitzende erklärte, ihre Partei habe sich "viel vorgenommen für die nächsten Jahre". So wolle die SPD Trier eine "noch offenere Partei werden und mehr Nichtmitglieder einbinden". Umrahmt wurde der Empfang von der Jazz-Band "Connotation" mit Sängerin Gepa Schwickerath.

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