Die Toten zum Sprechen bringen

Trier-Euren · Bis zu 3000 Jahre alte Siedlungszeugnisse und einen vier Jahrhunderte lang genutzten Friedhof hat das Landesmuseum bei seiner Langzeit-Grabung auf der Eurener Flur entdeckt. Die Grabung geht jetzt zu Ende, nicht aber die Forschungsarbeit. Im Museum wird der Inhalt der mehr als 200 entdeckten Gräber untersucht.

Trier-Euren. Es muss ein Spektakel für die Urbewohner auf der Eurener Flur gewesen sein: Drei Kilometer nördlich von ihrem Gutshof stampften die Römer eine Stadt aus dem Boden, genannt Augusta Treverorum (Stadt des Kaisers Augustus im Trevererland). Binnen weniger Jahrzehnte wuchs sie auf 20 000 Einwohner an. Die bäuerliche Sippe aber blieb, wo sie war. Sie betrieb, wie schon ihre Vorfahren in der Bronze- und Eisenzeit, Ackerbau auf dem Moseluferstreifen zwischen heutigem Yachthafen und Staustufe und dürfte von der Stadt als neuem Absatzmarkt gut gelebt haben. Jedenfalls übernahm sie römische Sitten. Und verschwand um das Jahr 400, als Germanen die nun Treveris heißende Stadt mehrfach überfielen und zerstörten, mit den Römern von der regionalen Bildfläche.
Das ist nicht der Kurzinhalt eines Historienromans über das antike Trier, sondern das, was Archäologen des Rheinischen Landesmuseums bei ihrer Grabung auf dem Gelände der "Ersatzmaßnahme Monaise" an Erkenntnissen gewonnen haben. Dort, wo bald ein großes Biotop als Ausgleich für den Landschaftseingriff durch den Bau der zweiten Kammer der Trierer Moselschleuse (ab 2014) entsteht, tummelt sich seit vier Jahren ein Grabungsteam.
Sieben Hektar "geschichtsträchtiges Terrain", wie Grabungsleiter Hartwig Löhr (65) schon vorher wusste. Aber das, was tatsächlich zutage kam, toppte alle Erwartungen. Die Archäologen stießen auf Siedlungsspuren, die bis zu 3000 Jahre alt sind. Insgesamt lässt sich auf dem Areal eine Siedlungskontinuität von fast anderthalb Jahrtausenden nachweisen. Löhr vermutet, dass es eine Sippe war, die hier und in der näheren Umgebung lebte - und starb. Der große Knüller der Grabung ist ein Friedhof, dessen älteste Bestattung von etwa 30 v. Chr. datiert und die jüngste vom späten 4. Jahrhundert.
Alle zwei Jahre eine Bestattung


Insgesamt 200 Gräber hat das Landesmuseums-Team freigelegt. Im Durchschnitt alle zwei Jahre eine Bestattung - das spricht nach Einschätzung des Chef-Archäologen Hans Nortmann (61) dafür, dass es sich ausnahmslos um die Bewohner des Gutshofs handelt.
Die dürften, als die Römer das Trevererland ihrem Imperium einverleibten, mit den neuen Herren kooperiert haben. Denn dem Clan-Chef, der um 30 v. Chr. starb, legten die Hinterbliebenen neben einer Amphore Wein auch sein Schwert mit ins Brandgrab. Eine Ehre, die dem Angehörigen einer geknechteten Bevölkerungsgruppe gewiss nicht zuteil gekommen wäre. Die Leute vom Gutshof übernahmen auch rasch die Grabsitten der Römer. Körperbestattungen lösen Brandgräber ab, im vierten Jahrhundert erfolgen die Beisetzungen in prestigeträchtigen Steinsärgen. Die Sarkophage sind die jüngsten Funde. Um das Jahr 400 - die meisten Bewohner haben das unsicher gewordene Trier verlassen - reißen die Siedlungsspuren ab.
400 000 Euro hat die Grabung gekostet, je zur Hälfte bezahlt von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Trier und der Stadt. Die Forscherarbeit geht weiter. Hunderte Kisten mit Fundmaterial allein vom Friedhof warten nun im Landesmuseum auf Auswertung. Die Toten sollen gewissermaßen zum Sprechen gebracht werden und von ihrem Leben berichten. Und von ihrem Sterben.

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