"Die Vergangenheit holt mich ein"

TRIER. Sie müssen sehr flexibel sein, und sie sind echte Beziehungskünstlerinnen: Moderne Hebammen. Mitarbeiterinnen des Trierer Mutterhauses und des evangelischen Elisabeth-Krankenhauses berichten aus ihrem Alltag.

Christine Nummer, Hebamme im Mutterhaus der Borromäerinnen, wird gelegentlich von jungen Frauen besucht: "Sie haben mich damals zur Welt gebracht!" Sie lacht: "Die Vergangenheit holt mich ein." Hebamme ist sie bereits seit fast vierzig Jahren, davon seit dreißig Jahren im Mutterhaus. "Ein bisschen Leidenschaft gehört schon dazu", betont die geborene Saarländerin. Dies bestätigt auch ihre junge Kollegin Julia Müller, die im Elisabeth-Krankenhaus arbeitet. "Manchmal beneide ich die Frauen mit normalen Arbeitszeiten. Doch die Geburten entschädigen mich", sagt sie. Im Oktober 2004 war sie mit dem Examen fertig, im Dezember trat sie die Stelle im Elisabeth-Krankenhaus an: Ein Sprung ins kalte Wasser. "Man lernt, seine eigene Geburtshilfe zu machen." Nebenbei leitet sie Geburtsvorbereitungskurse und Schwangerenschwimmen. Bereut hat sie ihre Wahl nicht: "Dafür ist der Beruf zu schön." Christine Nummer hat die Geburtshilfe noch ganz anders erlebt: "Früher war alles sehr klinikorientiert. Die Geburt fand in der Regel ohne die Väter statt, die Frauen blieben eine Woche im Krankenhaus." Mutter und Kind wurden nach der Geburt direkt getrennt. Kaiserschnitte waren eher selten, dafür wurde oft mit Zange und Saugglocke gearbeitet. Heutzutage ist der Kaiserschnitt häufig - auch ohne Indikation. "Die Frauen, die einen ,Wunsch-Kaiserschnitt' möchten, kann ich nicht verstehen", sagt Julia Müller. "Nach einer normalen Geburt sind sie fitter, können duschen gehen und das Kind wickeln. Auch das Kind kann sich besser auf die Geburt einstellen." Christine Nummer betont: "Ich möchte die Frauen kompetenter machen in Richtung Geburt, ihnen vermitteln, dass sie das schaffen. Die Stimulation des Kindes durch die Wehentätigkeit finde ich sehr wichtig." Besondere Bedeutung kommt der Betreuung vor und nach der Geburt zu. "Frauen erleben das heutzutage nicht mehr zuhause, wie eine Schwangerschaft abläuft und wie es sich mit einem Baby lebt", sagt Christine Nummer. "Früher war alles sehr klinikorientiert"

Nach der Geburt seien zehn Wochenbettbesuche normal. "Wir sind immer im Einsatz für Mutter und Kind", sagt ihre Kollegin Anja Doulin. Die Hebammen fahren oft spontan zu einer jungen Mutter - wenn nötig auch nachts. Stillen ist ein Thema: "Viele Frauen setzen sich so unter Druck, sind schnell frustriert", beobachtete Julia Müller. Sie versucht sie zu beruhigen und zu motivieren. "Eine Frau sollte sich mit Rücksicht auf ihre Lebensverhältnisse entscheiden", meint Christine Nummer. Nicht immer werden stillende Mütter von der Gesellschaft akzeptiert. "Frauen berichten, dass sie im Vorraum einer Toilette stillen mussten, oder angefeindet wurden. Dabei sind Zuneigung und Empathie das wichtigste für die Frauen." Für Christine Nummer ist ein Kind "ein Geschenk, das einem für eine gewisse Zeit anvertraut wird." Hebamme Julia Müller wird gelegentlich auf ihre Jugend angesprochen. Ein Vater gestand ihr: "Ich dachte: Oh, so eine junge, die hat sicher keine Ahnung, hoffentlich geht das gut. Nachher dachte ich: Gut, dass sie da war."

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