"Dr. No" sagt Goodbye

Trier · Im ersten James-Bond-Film ist Dr. No der Bösewicht, im Haus Weberbach 25 ist Dr. No so etwas wie der gute Geist. Am heutigen Freitag verabschiedet sich Reiner Nolden, der langjährige Direktor des Stadtarchivs Trier, in den Ruhestand. "Ungern", wie er sagt, "aber unausweichlich."

 Ab morgen Pensionär: Reiner Nolden, langjähriger Direktor des Stadtarchivs Trier und seit 2012 Uni-Honorarprofessor. TV-Foto: Roland Morgen

Ab morgen Pensionär: Reiner Nolden, langjähriger Direktor des Stadtarchivs Trier und seit 2012 Uni-Honorarprofessor. TV-Foto: Roland Morgen

Trier. Keine Frage, der Mann ist ein Schwergewicht. Ein wissenschaftliches Schwergewicht. Geht es um Triers Stadtgeschichte seit dem Mittelalter, um die großen Klöster der Region, um das jüdische Leben, um Massenauswanderungen nach Amerika oder das Thema Zwangsarbeit: An Reiner Nolden führt kein Weg vorbei. "Das ist eben mein Beruf", sagt der Stadtarchiv-Chef im für ihn typischen Understatement. Den bedeutenden Gelehrten geben, das ist nicht sein Ding. Nolden ist eher der Typ verschmitzte rheinische Frohnatur und findet den "Spitznamen Dr. No ganz okay, so lange er nicht überstrapaziert wird".Beruf als Berufung


Gleichwohl sieht er seinen Beruf als Berufung, und dass er, der geschichtsinteressierte Junge aus dem Ort Drove bei Düren zum Hüter von weltberühmten kunsthistorischen Preziosen wie dem Codex Egberti, dem Ada-Evangeliar, dem Goldenen Buch von Prüm oder Fragmenten einer Touronischen Bibel avancieren würde, das sei doch "eine ganz schöne Karriere gewesen".
Doch die geht nun zu Ende. Heute Nachmittag wird er feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Ungern gehe er, aber der Abschied sei nun mal unausweichlich, bedauert der am Montag 65 Jahre alt gewordene Nolden.
Als der an der Archivschule Marburg ausgebildete Archivdienst-Assessor und frischgebackene Doktor der Philosophie am 1. Juli 1982 in den Dienst der Stadt Trier trat, tat er dies "mit zugegebenermaßen gemischten Gefühlen". Die aus Irland stammende Ehefrau Máire Mulloy schwanger, er "ebenfalls fern der Heimat", das sei anfangs schwierig gewesen, "weil wir nur ganz wenige Leute kannten und deshalb bereits die Babysitter-Suche ein Problem war".
Doch rasch habe sich alles so gut gefügt, dass Nolden nicht mehr wirklich weg wollte aus Trier. Erst recht nicht, nachdem er 1990 zum Direktor des Stadtarchivs ernannt worden war.
In der Weberbach lagern unter dem gemeinsamen Dach mit der Stadtbibliothek Zehntausende historische Urkunden, Akten, Bücher, Fotos und andere Dokumente, nicht zu vergessen die mehr als 3000 Inkunabeln (vor 1501 gedruckte Bücher), über die Nolden den seit 100 Jahren ersten Katalog herausgab.
Überhaupt leistete er Pionierarbeit. Die 2000-Jahr-Feier (1984) bescherte Trier so viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit und Anfragen, dass Nolden "wochenlang nicht aus dem Keller herauskam und dabei sah, was für tolle Sachen wir überhaupt haben". So wurde eine üppige Beständeübersicht zum Nebenprodukt des permanenten Forschens im "Gedächtnis der Stadt Trier". Nolden, Autor vieler Bücher und Aufsätze, ist seit 2012 Honorarprofessor an der Uni Trier.
Und er spricht fließend Englisch ("Meine ersten Sprachlehrer waren die Beatles"). Deshalb ist er auch bei US-Amerikanern gefragt, die nach ihren Wurzeln in der Region Trier forschen.
Der Abschied vom Berufsleben sei aber kein Abschied vom Stadtarchiv: "Ich weiß, dass ich hier weiterhin willkommen bin und bestimmt noch gelegentlich zu Rate gezogen werde - das tröstet ein wenig". Wer das Stadtarchiv künftig leitet, ist noch nicht entschieden.
Trier will Reiner Nolden erhalten bleiben: "Wir wohnen seit fast 32 Jahren im Stadtteil Biewer, unsere Kinder Brenda und Colin sind in Trier zur Welt gekommen. Das ist längst unsere Heimat."

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