Drama in der Langsurer Mühle: 17 Monate ohne Strom und warmes Wasser

Langsur/Trier · Wie ist es, eineinhalb Jahre ohne Strom und Heizung zu leben? Der schwerkranke Johann Schneider und seine 85-jährige Mutter können das beantworten. Sie wohnen unter ärmlichen Verhältnissen in der ehemaligen Gaststätte Langsurer Mühle, die morgen zwangsversteigert wird. Es ist eine dramatische Geschichte.

Wenn die Sozialarbeiterin Eva-Maria Schmitt auf Johann Schneider und seine Geschichte zu sprechen kommt, schüttelt sie fast ungläubig mit dem Kopf: "Da ist so viel schiefgelaufen", sagt die Frau von der Schuldnerberatung der Diakonie Trier. Trotz jahrelanger Erfahrung im Umgang mit überschuldeten Menschen habe sie noch nichts Ähnliches erlebt: Johann Schneider (62) und seine 85-jährige Mutter Elisabeth mussten 17 Monate lang ohne Strom und warmes Wasser in einem Nebengebäude der ehemaligen Gaststätte Langsurer Mühle leben.

Wegen der Stromschulden auf dem Gewerbebetrieb weigerte sich der Stromanbieter, auch nur einen der drei vorhandenen Stromzähler wieder ans Netz zu nehmen. Erst seit einer Woche haben die Schneiders wieder Licht, eine funktionierende Heizung und Strom zum Kochen.

Die Geschichte: Im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund erzählen Johann Schneider und seine Mutter ihre Geschichte: "Ich habe vor gut 20 Jahren mein Restaurant Anker in Trier-Pfalzel verkauft", sagt Elisabeth Schneider. "Das Geld steckt in der Langsurer Mühle." Aus dem ehemaligen Mühlengelände bei Langsur wollte ihr Sohn einen florierenden Gastronomiebetrieb machen. Alles lief prima: Schneider überzeugte mit seinen Kochkünsten die Gäste. Mutter Elisabeth führte das Regiment im Hintergrund.

Dann schlug das Schicksal zu: Ein Gehirnschlag im Jahr 2000 war Vorzeichen für einen weiteren Schlag zehn Jahre später. Ärzte stellten gefährliche Gefäßerweiterungen (Anorysmen) im Gehirn des Mannes fest. Ab 2011 konnte Schneider nicht mehr in der Küche stehen. Auch die Geschäftsführung überforderte ihn, wie sich im Rückblick zeigt.
Die Verpachtung der Mühle von 2012 bis 2014 an einen für kurze Gastspiele bekannten italienischen Gastronomen brachte keine Verbesserung der zunehmend schwierigen finanziellen Situation.

Nach vorübergehender Schließung habe seine Frau einen Neustart versucht, berichtet Johann Schneider. Er hatte seine ehemalige Angestellte 2006 geheiratet. Im Februar 2015, kurz nach seiner Rückkehr aus einer Reha-Maßnahme, sei sie zusammen mit dem achtjährigen Sohn verschwunden. "Die Scheidung läuft", sagt Schneider. Geblieben sind 650 000 Euro Schulden plus 12 000 Euro Stromschulden. Der erste Termin für die Zwangsversteigerung des auf einen Verkehrswert von 712 000 Euro geschätzten Anwesens ist am morgigen Mittwoch. Johann Schneider und seine Mutter leben von knapp 900 Euro monatlich, die sich aus Grundsicherung und einer kleinen Rente der Mutter addieren.

Ohne Strom: Viele Freunde hat Johann Schneider nicht mehr. Der beste kommt aus Trier. "Ich kann einfach nicht verstehen, wie in der heutigen Zeit ein Mensch unter solchen Umständen leben muss", empört sich Hans Querbach. Seit Juni versucht er, mit viel Energie seinem Freund zu helfen. Seine Beharrlichkeit führte letztlich zum Erfolg, der sich am Ende der monatelangen TV-Recherche und diverser Anfragen unserer Zeitung abzeichnet.

So wurde Schneider - mit Unterstützung von Eva-Maria Schmitt von der Schuldnerberatung - ein neuer gesetzlicher Betreuer zugeteilt, der sich um die finanziellen Belange des Mannes kümmert. Der Kreisverwaltung Trier-Saarburg war es trotz Abschlagzahlung nicht gelungen, den Stromanbieter zu überzeugen, zumindest für zwei Zimmer Energie bereitzustellen. Der Betreuer, er will anonym bleiben, fand im mehrfachen Kontakt mit dem Energieanbieter offenbar die besseren Argumente.

Auf TV-Anfrage Ende Oktober entschuldigte Innogy-Pressesprecher Klaus Schultebraucks ein Missverständnis: "Es tut uns sehr leid. Es war den Kollegen nicht bewusst, welche Situation in der Langsurer Mühle herrscht." Die zuständigen Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass es bei allen Nachfragen zu den gesperrten Stromanschlüssen um eine rein gewerbliche Nutzung gehe. "Wir haben erst Mitte September von der Wohnsituation erfahren." Seit 31. Oktober haben die Schneiders gegen Vorauszahlung wieder Strom. "Als das Licht wieder angegangen ist, habe ich mich wirklich gefreut", sagt der ehemalige Gastwirt. In den Monaten davor waren die von einigen Menschen im Dorf gespendeten Kerzen einzige Lichtquelle.

Wohnsituation: Nun geht es darum, eine neue Wohnung für den kranken Mann und seine betagte Mutter zu finden, denn mit der Versteigerung des Anwesens droht die Zwangsräumung. "Wir wollen zurück nach Trier", sagen beide. Zuständig ist allerdings die Verbandsgemeinde Trier-Land. Zwei Wohnungen bei Newel seien den Schneiders angeboten worden, heißt es von dort. Eine sei wegen der abgelegenen Lage abgelehnt worden, die andere, weil sie nicht behindertengerecht sei. "Weitere Wohnungen stehen derzeit nicht zur Verfügung." In mehreren Gesprächen, auch mit dem nach wie vor sehr engagierten Hans Querbach, hat die Verbandsgemeinde Johann Schneider aufgefordert, sich selbst um eine Wohnung zu bemühen.

Einem Umzug nach Trier steht nach Auskunft des Presseamtes der Stadt im Prinzip nichts entgegen, zumal Schneider und seine Mutter auch einen Wohnberechtigungsschein für Trier besitzen. Eine Sozialwohnung mit 75 Quadratmetern zu finden, ist angesichts der schwierigen Wohnraumsituation nicht leicht. "Ich sehe mich täglich um", sagt Hans Querbach, der weder auf Innogy, noch auf Kreisverwaltung und Verbandsgemeinde gut zu sprechen ist. "Es kann nicht sein, wie man mit meinem Freund umgeht."

Kommentar

Kaltgestellt in der Schuldenfalle

Von Rainer Neubert

Es ist kaum zu glauben und dennoch vermutlich kein Einzelfall: Bittere Armut spielt sich häufig im Verborgenen ab. Wie Krankheit und Pech einem Menschen mitspielen können, der zuvor erfolgreich und geachtet mitten im Leben stand, zeigt die Geschichte von Johann Schneider.
Bei aller Tragik und trotz der hohen Schulden ist aber nicht zu verstehen, warum ein kranker Mann und seine betagte Mutter 17 Monate lang trotz mehrfacher Anschreiben und Anrufe der Schuldnerberatung und der Kreisverwaltung vom Energieversorger RWE/Innogy derart kaltgestellt wurden, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wenn das alles tatsächlich ein großes Missverständnis war, dann ist es für das Unternehmen höchste Zeit, über zu bürokratische und unpersönliche Kundenbetreuung nachzudenken. Zu einem positiven Image passt das jedenfalls nicht.

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