Drei Triererinnen auf literarischer Mission in Rio

Trier/Eisenschmitt · Christel Aretz, Carla Schött und Magdalena Feiten reisen im April zur Enkelin der Eifeler Autorin Clara Viebig nach Brasilien. Im Gepäck haben sie Birkenstockschuhe, Gelierzucker und Gartenkräuter.

Rund 10 000 Kilometer liegen zwischen den drei Freundinnen Christel Aretz, Carla Schött sowie Magdalena Feiten und Rio de Janeiro. Noch. Die brasilianische Stadt ist ihr Reiseziel. Dort wollen sie der in Trier geborenen Schriftstellerin Clara Viebig (siehe Zur Person) näherkommen.

Doch von vorne: Als Christel und Manfred Aretz zur Eröffnung ihrer kleinen Buchhandlung in Bad Bertrich 1992 das Porträt einer Frau geschenkt bekamen, wussten beide nicht, wer sie war. Das Bild zeigte Clara Viebig, wie Christel Aretz, heute Triererin, erzählt: "Das Gemälde machte uns neugierig. Wir begannen, über Viebig zu recherchieren und ihre Werke zu lesen. Wir gingen abends mit ihr ins Bett und standen morgens mit ihr auf." Clara Viebig und ihre Geschichte seien zu ihrem Lebensinhalt geworden.

Das Ehepaar Aretz fragte sich, ob noch Verwandte von Viebig existierten. Sie stießen auf deren Enkelin Susanne Bial. 1936 war diese vor den Nationalsozialisten nach Brasilien geflüchtet, wo ihre Eltern bereits lebten. Grund für die Emigration: Clara Viebigs Ehemann Friedrich Theodor Cohn war Jude. Bial betrat erst 1998 wieder deutschen Boden. Aretz berichtet: "Damals hat uns Susanne Bial nach Brasilien eingeladen. Wir hatten zu dieser Zeit noch unsere Buchhandlung. Daher konnten wir nicht wegfahren."

Als Christel Aretz ihren Freundinnen Carla Schött und Magdalena Feiten 2016 von ihren Reiseplänen erzählte, waren diese spontan dabei. Die drei kennen sich aus dem Gesangsensemble "Chorklang". Feiten sagt: "Mein Kontakt zu Clara Viebig entstand eher zufällig. Christel führte uns letztes Jahr durch den Viebig-Pavillon in Bad Bertrich. Die Geschichte dieser Frau faszinierte uns so sehr, dass wir dort einen halben Tag verbrachten." Schöll ergänzt: "Ich war schon immer eine Vielleserin. Besonders das Verhältnis zwischen den Geschichten und den Autoren finde ich spannend." Alle drei würdigen Viebigs Mut, als Frau so sozialkritisch zu schreiben wie im Roman "Das Weiberdorf" (siehe Info).

Aretz hielt über die Jahre den Kontakt zu Bial. Immer, wenn es etwas zu erzählen gab, mailten die beiden. Neuerdings wird geskypt, also über das Internet telefoniert. "Susanne Bial, die zwei Jahre lang bei ihrer Großmutter Clara Viebig in Berlin lebte, ist eine taffe und charismatische Frau", beschreiben die drei Freundinnen die mittlerweile 92-Jährige. Als Mitbringsel aus Deutschland wünsche sie sich Gelierzucker, Gartenkräuter und Birkenstockschuhe.

Das Programm in Rio werde nicht nur aus Besichtigungen bestehen, erklärt Aretz: "Ich habe Susanne Bial schon zweimal in Deutschland begrüßen können. Ich organisierte damals viel und konnte so den Menschen Susanne Bial nicht so intensiv kennenlernen. Das möchte ich in Brasilien nachholen."
Aretz hat nach dem Tod ihres Mannes dessen Erbe übernommen, wie sie sagt: "Ich wünsche mir, dass eine Werkausgabe von Clara Viebig veröffentlicht und an sie durch eine Infotafel in der Kutzbachstraße erinnert wird. Viebig war viel mehr als eine Eifeldichterin und hat eine größere Anerkennung verdient."Extra: DIE AUTORIN CLARA VIEBIG


Clara Viebig wurde am 17. Juli 1860 in der Simeonstiftstraße 387, heute Kutzbachstraße 10, in Trier geboren. Sie wuchs in Düsseldorf auf und zog später nach Berlin. 1896 heiratete Viebig den jüdischen Verleger Friedrich Theodor Cohn, den sie über den Schriftsteller Theodor Fontane kennenlernte. 1934 emigrierten ihr Sohn Ernst und seine Frau nach Brasilien. Nach dem Tod ihres Mannes 1936 blieb Viebig in Deutschland. Sie starb am 31. Juli 1952 in Berlin. Sie hinterließ mehr als 30 Romane.Extra: DER ROMAN "DAS WEIBERDORF"


1900 erschien Clara Viebigs Roman "Das Weiberdorf". Er erzählt die Geschichte des fiktiven Dorfs Eifelschmitt (Eisenschm itt): Die Männer arbeiten im Ruhrgebiet und kommen nur zweimal im Jahr nach Hause. Im Dorf übernehmen die Frauen die harten Arbeiten. Sie prügeln sich auf dem Feld oder brechen ihre Ehen mit dem einzigen im Dorf gebliebenen Mann. "Die Menschen waren so erbost über ihren Roman, dass sie mit Mistgabeln auf Viebig losgingen", sagt Aretz.

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