Ebbe und Flut im Gewächshaus: Letzte drei Familiengärtnereien Triers stemmen sich gegen Billigkonkurrenz

Trier · Der Frühling und die ersten Sonnenstrahlen locken nicht nur die Hobbygärtner zur Eröffnung der Gartensaison 2016. Für die drei letzten verbliebenen Familiengärtnereien Triers bricht jetzt wieder die wichtigste Jahreszeit an. Aus der bis zu 180-jährigen Betriebsgeschichte erzählen die Familienunternehmer Lambert, Melchisedech und Schmidgen von Herausforderungen, Leben und Wandel im Beruf des Gärtners.

Ebbe und Flut im Gewächshaus: Letzte drei Familiengärtnereien Triers stemmen sich gegen Billigkonkurrenz
Foto: (h_st )

Trier. Matthias Melchisedech (63) führt durch ein Meer aus Jungpflanzen, geschützt durch tennisplatzgroße Glashäuser und gehegt von Mensch und Maschine. Erdiger Geruch kitzelt die Nase - zu erkennen ist noch nicht viel von den Pflanzenkindern, deren Anzucht der Seniorchef der Gärtnerei Melchisedech nun schon seit 1970 an der Zurmaienerstraße betreibt. Aber die vielen bunten Schilder und Töpfe geben Auskunft: "Der Kunde legt heute viel Wert auf informative Töpfe und Aufmachung", sagt Juniorchef Martin Melchisedech (32) in seiner rustikalen Betriebsküche. Ende nächsten Jahres wird er den Familienbetrieb übernehmen, der seit 1850 geführt wird. "Ich möchte nicht alles umwälzen, nur der große Baum vorm Haus kommt weg", sagt der Juniorchef. Seit fünf Jahren arbeitet er fest im Betrieb.

Die Gärtnerei Melchisedech ist einer von insgesamt drei Anzuchtbetrieben in Trier, die es heute noch gibt. Früher waren es einmal etwa 50, sie lagen hauptsächlich im Maarviertel und am Zurlaubener Ufer. Familie Schmidgen führt ihre Gärtnerei seit 1949, nun in zweiter Generation durch Rudolf Schmidgen (64). In ein bis zwei Jahren übernimmt Sohn Johannes. "Der Ertrag des Frühjahrs muss auch für den Winter reichen", sagt Rudolf Schmidgen und erklärt die schwere saisonbedingte Arbeit eines Gärtners.Freude an der Arbeit im Früjahr

Während die beiden Betriebe nur wenige Mitarbeiter unterhalten, darf sich die Gärtnerei Lambert mit 184 Jahren nicht nur als die älteste, sondern mit rund 70 Beschäftigten auch als die größte Triers bezeichnen. Bis zu 250 000 Sommerblumen verkaufe der Betrieb jährlich, erzählt Chef Andreas Lambert (60) stolz. "Die Freude an der Arbeit kommt gerade im Frühling nach einem tristen Winter wieder auf", sagt Lambert und fügt an: "Dieses Jahr kommt der Frühling rund zwei Wochen später als sonst."

Die Gärtnereien leben von der Handarbeit, sind aber technisch auf dem neusten Stand. Mit einem sogenannten Ebbe-Flut-Bewässerungssystem werden die rollbaren Tische, auf denen die Pflanzen wachsen, von unten bewässert - alles computergesteuert. Ein solcher Tisch umfasst 30 Quadratmeter, zwölf davon haben die Melchisedechs in acht Gewächshäusern im Einsatz. Die modernen Hilfsmittel wissen Vater und Sohn zu schätzen: "Was uns durch Maschinen abgenommen wird, hat mein Opa früher per Hand gießen müssen", führt Martin Melchisedech kopfschüttelnd an, während die Tour durch die großen Gewächshäuser weitergeht. So dienlich die Technik, so argwöhnisch sehen die beiden die zunehmende Bürokratie: Auf rund 50 000 Stiefmütterchen im Betrieb müsse ein Etikett mitsamt EAN Code - eine internationale Produktkennzeichnung - geklebt werden. Die Blumentöpfchen dafür stapeln sich heute in den Gängen zu Zehntausenden in Kartons, während früher ohne Topf verkauft wurde.

Lambert, Schmidgen und Melchisedech sehen sich nicht als Konkurrenten, auch wenn alle Betriebe Gemüsejungpflanzen, Beet- und Balkonsortiment anbieten. Die größte Herausforderung sind seit Jahren die Discounter und Großhändler vom Niederrhein und aus den Niederlanden. Die Chefs unterstreichen die eigene hohe Qualität, die Melchisedechs können sogar Ehren und Edelmetall anführen: Bei der Bundesgartenschau in Koblenz 2011 gewannen sie insgesamt 50 Medaillen für ihre Pflanzen, zwölf in Gold, 27 in Silber und 17 in Bronze. Dennoch muss Schmidgen eingestehen: "Die Supermärkte werden zunehmend besser." Als Geheimnis seines Erfolgs sieht der 64-Jährige gute Beratung und Service, so durch die Bepflanzung von Blumenkästen. Matthias Melchisedech lobt vor allem seine eigenen Sprösslinge, den Zusammenhalt der Familie und die Mitarbeiter. Martin Melchisedech blickt gern auf seine Kindheit zurück: "Zu so einem Familienbetrieb gehört auch, dass immer jemand da war, wenn ich ein Problem hatte oder aus der Schule kam."

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