Justiz Gebühren veruntreut: Prozess beginnt
Trier · Ein 49-jähriger ehemaliger Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes steht vor Gericht. Er soll Gebühren, die er in Gaststätten und Bordellen kassiert hat, für sich selbst behalten haben. Offenbar, um seine Spielsucht zu finanzieren.
Knapp 49 000 Euro soll ein ehemaliger leitender Mitarbeiter der Trierer Stadtverwaltung während seiner Dienstzeit in die eigene Tasche gesteckt haben. Das Geld hatte er zuvor von Gastronomen und Bordellbetreibern kassiert – als Gebühr. Denn der heute 49-Jährige war beim städtischen Ordnungsamt für Genehmigungen im Gastro- und Rotlichtmilieu zuständig. „Gewerbsmäßige Untreue in 111 Fällen“, wirft die Staatsanwaltschaft dem Trierer vor. Der Prozess gegen ihn beginnt am Montag, 27. Januar, vor dem Trierer Amtsgericht.
Laut Anklage soll der Ex-Rathaus-Mitarbeiter 98 Mal von Gaststättenbetreibern Gebühren kassiert und für sich selbst behalten haben. Die Rechnungen hätten sich dabei auf Summen zwischen 75 Euro und 1200 Euro belaufen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm weiter vor, in elf Fällen jeweils 390 Euro Gebühren von Bordellbetreibern erhoben und nicht an die Stadtkasse weitergeleitet zu haben. Zwei Mal soll der Mann zudem direkt in die Barkasse des städtischen Ordnungsamts gegriffen und dabei einmal 550 Euro und einmal 250 Euro mitgehen gelassen haben. Zusammen sind das 111 Fälle und genau 48 935,84 Euro hinterzogene Gebühren, wie Albrecht Keimburg, Richter am Amtsgericht, auf TV-Nachfrage erläutert.
Angesetzt ist für den Prozess bislang nur ein Verhandlungstag – ein Zeichen dafür, dass das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Alexandra Scholten offenbar mit einer flotten Verhandlung rechnet.
Tatsächlich hatte der Angeklagte die Taten kurz nachdem ihm die Kollegen im Rathaus auf die Schliche gekommen waren sich selbst bei der Polizei angezeigt und gestanden. Sein Rechtsanwalt Andreas Ammer erklärt: „Unser Mandant war zum Zeitpunkt der Tat, die er sehr bereut, suchtkrank und abhängig von Online-Pokerspielen. Er war von Anfang an bereit – und hat dies bereits in die Tat umgesetzt – den Schaden in Raten vollständig wiedergutzumachen.“ Dazu komme, dass der 49-Jährige seine Beamtenstellung und seine Altersversorgung verloren habe. Persönlich habe sich sein Mandant nach einer Therapie und einer „schweren persönlichen Krise“ mittlerweile wieder stabilisiert, sagt Rechtsanwalt Ammer.
Ob zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor Beginn der Hauptverhandlung ein so genannter Deal ausgemacht wurde – eine Verfahrensabsprache, die im Gegenzug für ein voll umfängliches Geständnis vor Gericht ein Strafmaß in Aussicht stellt, das unter der Höchststrafe bleibt – dazu will sich vorab weder Gerichtssprecher Keimburg noch Rechtsanwalt Ammer äußern.
Generell wirken sich Geständnis und Wiedergutmachung allerdings strafmildernd aus. Schon wegen der Vielzahl der Fälle und auch wegen des langen Tatzeitsraums wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten allerdings „besonders schwere und gewerbsmäßige Untreue“ vor – was ein Urteil am unteren Rand des vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafmaßes eher unwahrscheinlich macht. Für gewerbsmäßige Untreue sieht das Strafgesetz mindestens sechs Monate und maximal zehn Jahre Freiheitsstrafe vor.
Aufgeflogen war der Angeklagte nach dessen Griff in die Barkasse des Ordnungsamtes (der TV berichtete). Nachdem der Verdacht auf den leitenden Mitarbeiter des Amtes gefallen war, seien die Unterlagen auf dessen Schreibtisch kontrolliert worden, bestätigte die Stadtverwaltung im Sommer 2018 die damaligen TV-Recherchen. Bei der Überprüfung seien dann gefälschte und überhöhte Gebührenbescheide entdeckt worden. Weitere Untersuchungen hätten ergeben, dass der Mann bereits vor Jahren damit begonnen hatte, Bescheide zu fälschen und Geld zu veruntreuen.
Die Rechnungen, mit denen der Mann die Gebühren vor Ort in den Gastro- und Bordellbetrieben einzog, hatte der Angeklagte nach TV-Informationen teilweise selbst entworfen. Der Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes war nach seiner Entdeckung vom Dienst suspendiert worden.