Ehrenamtler helfen Flüchtling und bleiben auf Kosten sitzen

Konz/Ralingen/Trier · Wintersdorfer haben einem Mann aus Eritrea zu einem Job verholfen. Obwohl der 36-Jährige nun für sich selbst sorgen kann, bleibt ein bitterer Beigeschmack.

 Misghina Kahsay an seinem Arbeitsplatz bei der TKDZ. TV-Foto: Friedemann Vetter

Misghina Kahsay an seinem Arbeitsplatz bei der TKDZ. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Konz/Ralingen/Trier Misghina Kahsay sitzt auf einer Couch in seiner Dachgeschosswohnung in Karthaus. Der 36-Jährige aus Eritrea ist schon vor sechs Jahren aus seinem Heimatland geflüchtet. Er war dort nicht frei, sagt er. Wegen der Diktatur und der Unterdrückung wollten alle seine Landesleute weg aus dem ostafrikanischen Land. Kahsays Reise führt ihn über den Sudan und Ägypten nach Israel. Dort bleibt er ein paar Jahre. Später geht es weiter über die Türkei, Griechenland und den Balkan nach Deutschland, wo er als Flüchtling anerkannt wird. So weit entspricht seine Geschichte der vieler anderer, die in den vergangenen Jahren geflüchtet sind. Doch Kahsay war im Gegensatz zu vielen anderen Flüchtlingen schon nach einem halben Jahr in Deutschland nicht mehr auf staatliche Hilfe angewiesen (siehe Info zu Zahlen). Schnell zum Job Wie in Israel, wo der gut ausgebildete Eritreer mehrere Jahre als Maschinentechniker gearbeitet hat, findet er auch in Deutschland schnell einen Job. Sein Arbeitgeber sind die Trierer Kalk-, Dolomit- und Zementwerke (TKDZ), genauer gesagt die österreichische Porr AG, die den Betrieb in Wellen an der Obermosel 2011 übernommen hat. Kahsay kümmert sich in der Bergbaufirma um die Instandhaltung der Maschinen. Laut TKDZ-Geschäftsführer Wolfgang Hirzi bringt der Eritreer "Arbeitsfreude und Disziplin" mit: "Er ist ein wertvoller Mitarbeiter." Kahsay habe dieselben Arbeits- und Lohnkonditionen wie alle anderen TKDZ-Mitarbeiter, betont Hirzi. Eigentlich lebt der Afrikaner eine Erfolgsgeschichte, wie die Politik sie sich angesichts der kontroversen Diskussionen über Flüchtlinge wünscht: Eine geflüchtete Fachkraft besetzt eine Stelle in einer Branche, in der nicht gerade Überschuss an gut qualifiziertem Personal herrscht. Doch es gibt einen Haken, der nur durch einen genaueren Blick auf Kahsays Aufenthalt in Deutschland zu erklären ist. Ein 2000 Euro teurer Haken Im Ralinger Ortsteil Wintersdorf wohnt der Eritreer zunächst zusammen mit fünf Landsmännern. Das ehrenamtliche Flüchtlingsteam Wintersdorf betreut die Afrikaner. Einer der Helfer ist Hermann Stute. Kahsay sei älter als die anderen Flüchtlinge und besser ausgebildet, sagt Stute. Der Eritreer habe direkt einen Job haben wollen. Und nach nur einem erfolglosen Bewerbungsversuch habe die TKDZ Interesse an dem engagierten Flüchtling gezeigt. Doch es gab ein Problem zu lösen: Kahsay hat kein Auto, nur ein Fahrrad. Die Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs von Wintersdorf an der Sauer zur Obermosel sind bescheiden. Deshalb musste eine neue Wohnung her. Doch auch dieses Hindernis überwinden die Flüchtlingshelfer mit Unterstützung eines TKDZ-Mitarbeiters: Sie finden eine Wohnung in Karthaus. Die Lage nahe dem Bahnhof mit Anschluss nach Wellen ist perfekt für Kahsay. Für die Übernahme der Möbel der Vormieterin (1200 Euro) und Kaution (795 Euro) sind fast 2000 Euro fällig. Weil Kahsay das Geld nicht hat, strecken die Ralinger Flüchtlingshelfer das Geld vor. Sie wollen ihrem Schützling nicht die Zukunft verbauen. Doch die Ehrenamtler gehen davon aus, dass sie das Geld vom Jobcenter zurückbekommen. Daraus wird jedoch nichts. Die Behörde lehnt die Rückzahlung ab. Auch mit seinem Widerspruch hat Kahsay keinen Erfolg. Die Helfer bleiben auf den Kosten sitzen. Rechtlich sauber Das Jobcenter beruft sich bei der Argumentation auf die Vorschriften des zweiten Sozialgesetzbuchs. Die Helfer hätten sich früher um die Übernahme der Kosten kümmern müssen. Kahsay habe zum Zeitpunkt der Anfrage vor dem Gesetz nicht mehr als hilfsbedürftig gegolten. Die Anfrage ans Jobcenter erfolgte Anfang April. Kahsay arbeitet aber schon seit März. Gespräche des Volksfreunds mit mehreren Experten ergeben, dass die Arbeitsagentur rechtlich sauber entschieden hat. Die Flüchtlingshelfer aus Ralingen bekommen den Betrag nicht zurückerstattet - das gibt das Gesetz nicht her (siehe Info mit Expertenstimme). Fazit Kahsays Erfolgsgeschichte hat für die Flüchtlingshelfer einen bitteren Beigeschmack: Einerseits freuen sie sich, dass ihr Schützling einen festen Job hat. Andererseits meint Flüchtlingshelfer Stute: "Das Jobcenter beruft sich auf das Gesetz. Wenn wir ehrenamtliche Helfer nur auf Paragrafen pochen würden, würde keiner mehr helfen bei der Integration." Auch seine Versuche, Hilfe bei Bundes- und Landespolitikern oder anderen Behörden zu finden, seien verpufft, erzählt er dem Trierischen Volksfreund. Das Geld könnten die Helfer noch von Kahsay zurückbekommen über einen privaten Darlehensvertrag. Laut Flüchtlingshelfer Hermann Stute kommt das nicht infrage. Allerdings habe Kahsay schon angeboten, das Geld zurückzuzahlen. Das wollen die Helfer laut Stute nur annehmen, wenn Kahsay genug dafür übrig habe. KommentarMeinung

Unbefriedigender Ausgang Eigentlich könnte der Fall von Misghina Kahsay ein strahlendes Vorbild für funktionierende Integrationspolitik sein. Doch das ist er nicht. Denn der Erfolg ist nicht der Politik oder Behörden zu verdanken. Am Anfang stand die Eigeninitiative des Eritreers. Dann war da noch die dankbare Bergbaufirma. Dass er letztlich direkt einen Job bekommen hat, können sich aber vor allem die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer aus Wintersdorf auf ihre Fahne schreiben. Deren spontane und unkomplizierte finanzielle Unterstützung hat Kahsay letztlich in Lohn und Brot gebracht. Nun arbeitet der gut ausgebildete Afrikaner. Er zahlt Steuern an den deutschen Staat, statt von staatlicher Hilfe zu profitieren. Die öffentliche Hand fährt so Gewinn ein, die Flüchtlingshelfer bleiben hingegen auf ihren Kosten sitzen. Das ist unbefriedigend. Auch wenn das Vorgehen der Flüchtlingshelfer mit Blick auf das Gesetz etwas blauäugig war, wäre hier mehr staatliche Unterstützung angebracht. c.kremer@volksfreund.deExtra: ARBEITSLOSENZAHLEN IN DER REGION

Die Arbeitslosenzahlen unter den Menschen, die aus nichteuropäischen Ländern nach Deutschland gekommen sind, haben sich positiv entwickelt. Laut Auskunft von Benjamin Koerfer, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Trier, waren in der Region Trier im Juli 2017 insgesamt 979 Menschen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern arbeitslos gemeldet. Hochgerechnet auf alle erwerbsfähigen Menschen aus dieser Gruppe liegt die Quote bei 28,8 Prozent. Im Vergleichsmonat des Vorjahres lag die Quote mit 34,9 Prozent deutlich höher. Zum Vergleich: Die Gesamtarbeitslosigkeit in der Region beträgt 3,7 Prozent. Laut Koerfer haben seit Jahresbeginn insgesamt 205 arbeitslose Menschen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern eine Erwerbstätigkeit oder eine betriebliche Ausbildung aufgenommen. Im Kreis Trier-Saarburg waren im Juli 2017 insgesamt 162 Menschen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote liegt bei 21,6 Prozent. Vor einem Jahr waren noch 41,5 Prozent der erwerbsfähigen Flüchtlinge mit entsprechendem Aufenthaltsstatus arbeitslos gemeldet. Koerfers Fazit lautet: "Der Trend bei dieser Personengruppe geht also dahin, dass der Anteil der Arbeitslosen sinkt und die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt."

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