"Eich sin en Trierer, un eich bleiwen et aach"

Trier/Tawern · Goldschmied wollte er werden oder Bildhauer: Zu seinem Beruf Kunstschmied ist er ebenso zufällig geraten wie zum Karneval und zur Schauspielerei. Heute wird ein Trierer Original 90 Jahre alt - Adolf Schäfer, besser bekannt als Adi.

 Trierer Original: Adi Schäfer wird 90 Jahre alt. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trierer Original: Adi Schäfer wird 90 Jahre alt. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier/Tawern. "Super toll!" Noch zwei Jahre später schwärmt Gabi Hahn vom Kleinen Volkstheater von seinem Auftritt als Wichshänschen. Wie der Schuhputzer Johann Leidner (1827-1901) ist auch sein Darsteller ein Trierer Original: Adi Schäfer. Zum Theater gerät Schäfer, der heute seinen 90. Geburtstag feiert, durch Zufall. 1991 bittet ihn Rolf Kettermann, ihm bei der Requisite für das erste Stück zu helfen. Drei Jahre später spielt Schäfer selbst mit: In "Daen aalen Simulant" geht er zwar nur über die Bühne und hat so einen Erfolg, dass er von da an jedes Jahr auftritt - mit Text. "Ich habe alles gerne gespielt. Das schönste Stück ist das, in dem ich am wenigsten sagen muss. Und wenn die Leute trampeln, wenn sie mich sehen." In den 1950er Jahren sei er in die Karnevalgesellschaft Trier-Süd "reingerutscht. Ich stand 33 Jahre lang in der Bütt." Es bringt ihm 1968 den ATK- und 1976 den Spaaßvugel-Orden ein.
"Meine Eltern haben sechs Kinder großgezogen, ein Mädchen und fünf Jungs. "Bei mir hatten sie keine Kraft mehr zu ziehen - deshalb bin ich so klein." Adi Schäfer misst gerade mal 1,63 Meter, wirkt eher zierlich. Und doch hat er einen Beruf gewählt, der große Körperkräfte erfordert: Schmied. Dabei wollte er nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten.
"Ich wollte Goldschmied oder Bildhauer werden", sagt er. "Aber da ich nicht in der Hitlerjugend war, durfte ich die Lehrstelle, die ich mir ausgesucht habe, nicht antreten." Die habe jemand gekriegt, der "Heil Hitler!" schrie. Und so setzt er eine Tradition fort; bereits der Ururgroßvater war Schlosser. Die Lehre in der Werkstatt in der Gartenfeldstraße ist hart; die drei Lehrmeister, Vater, Onkel Karl und der älteste Bruder Jupp, "haben mich getrimmt".
Menschen ganz nah


Alle vier sind Antifaschisten. "Die Polizei hat bei uns im Kleiderschrank besser Bescheid gewusst als wir", sagt Schäfer und grinst schelmisch. Einmal habe sein Onkel einen Hirtenbrief abgeschrieben. "Als die Staatspolizei kam, hat er das Papier unter dem Amboss versteckt" - gefunden wird es nicht. Als Soldat muss Schäfer an die russische Front. "Am 1. November 1944 hat\'s mich erwischt"; die Armverletzung macht noch heute Probleme. Erst an Heiligabend 1945 kommt er heim. "Guck, dass das in Ordnung kommt", habe sein Vater gesagt, "wir können hier keinen brauchen mit lahmem Arm."
Die Firma arbeitet auch für die Kirche. "Den Hahn auf dem Greiffenklau-Turm des Doms hat mein Großvater 1898 gemacht." Er habe das Tier aufgearbeitet und neu mit Blattgold überzogen, sagt Schäfer. Für den Dom schmiedet er 1974 auch einen Teufel, der als Kontergewicht das Seil des "Ewigen Lichts" festhält. "Wenn er gezogen wird, hat er zu tun und kann die Leute in der Hölle nicht piesacken." Auch ans Gitter in der Welsch nonnenkirche hat er ein Teufelchen geschweißt. Und: "Die Drachen am Drachenhaus im Weißhauswald hat der Pap gemacht", sagt Schäfer, grinst stolz und tippt sich an die Brust. "Ich habe sie aus Kupfer gezogen und auf der Ess\' geglüht." Ein Zentner wiege ein Tier. "Wir haben schöne Sachen gemacht. Das Eisen ist immer durchs Feuer gegangen."
Schäfer übernimmt die Schmiede, als der Vater 1957 stirbt. Die Werkstatt zieht ins Haus des Großvaters in der Eulenpfütz, wo Adi seit der Heirat mit seiner Marianne (heute 86) 1951 lebt. 1988 übernimmt Sohn Werner den Betrieb. Bis 2011 steht Adi noch öfter in der Werkstatt. "Dann kam der große Schlag mit dem Diabetes, da konnt eich nimmieh", sagt Schäfer, der nur Dialekt spricht: "Eich sin en Trierer, un eich bleiwen et aach." Auch nachdem er nach Tawern in die Nähe seiner Tochter Michaela gezogen ist.
"Die Zeit ist mir unter den Füßen weggerannt", sagt Schäfer. Doch Bedauern liegt nicht in seinem Naturell. Dann schon eher die Feier heute mit Freunden und den Kollegen vom Volkstheater. "Schauspielern hat man in sich", sagt er. "Man muss sich immer im Leben ausreden können - und die Ausreden müssen gut sein!"

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