Ein Bauwerk für die nächsten 80 Jahre

Trier · Die Mosel ist eine der bedeutendsten Wasserstraßen neben dem Rhein. Fast 15 Millionen Tonnen mit Gütern wurden 2014 dort transportiert. Damit das reibungslos funktioniert, bekommen alle Schleusen eine zweite Schleusenkammer. Auch in Trier wird gebaut. Der TV hat sich auf der Großbaustelle umgesehen.

Trier. Es ist heiß und staubig. Jeder, der die Baustelle für die zweite Schleusenkammer in Trier betritt, muss einen Bauhelm und eine orangene Warnweste tragen. Wir fahren mit Raymund Mertes vom Wasser- und Schifffahrtsamt Trier, der die Baustelle leitet, und seiner Mitarbeiterin Marisa Schneider auf der Baustelle herum. Der Jeep schaukelt beängstigend durch die erdige Kraterlandschaft. Trotz der großen Hitze schweißen die Bauarbeiter an Spundwänden, dass die Funken nur so sprühen.
Doch warum wird hier überhaupt so aufwendig gebaut? Die Antwort steckt in der Schifffahrtsgeschichte der Mosel: Die Mosel wurde in den 1960er Jahren lediglich für zehn Millionen Gütertonnen pro Jahr ausgebaut. Ziemlich schnell war die Wasserstraße überlastet. Es kam zu langen Wartezeiten von bis zu 15 Stunden an den Schleusen für die Güterschiffe. Und davon sind viele auf der Mosel unterwegs: Über 15 Millionen Gütertonnen transportierten sie im vergangenen Jahr. 2003 wurde beschlossen, dass neben den bereits ausgebauten Schleusen Zeltingen und Fankel alle anderen zehn Schleusen auf der deutschen Mosel eine zweite Kammer erhalten sollen.
Eine zweite Schleusenkammer ist auch deshalb sinnvoll, weil die alten Schleusen fast seit einem halben Jahrhundert in Dauerbetrieb sind. Entsprechend steigen ihr Verschleiß und ihr Wartungsbedarf ständig. Für die Wartung waren bisher nur einmal im Jahr acht Tage vorgesehen. Während dieser Zeit musste die Mosel zwischen Koblenz und Trier komplett für die Schifffahrt gesperrt werden. Mit dem Bau der zweiten Schleusenkammer entfällt diese Sperrung. Die Schifffahrt ist selbst bei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten möglich.
Auf den Beton kommt es an


Der erste Spatenstich für die zweite Schleuse in Trier war im Frühjahr 2014. In den Probebetrieb soll die zweite Kammer 2018 gehen. Raymund Mertes erklärt den Ablauf des Probebetriebs: "Es müssen mindestens 150 Schiffe probehalber geschleust werden. Das passiert nur dann, wenn tagsüber Personal anwesend ist, das bei Störungen eingreifen kann." Erst wenn alles reibungslos funktioniert, kann die Schleuse endgültig in Betrieb genommen werden.
Bis es so weit ist, muss noch einiges getan werden. Mertes über den nächsten Arbeitsschritt: "Im Moment wird gerade nach der richtigen Betonmischung für die Schleusenwände gesucht. Zu diesem Zweck werden Betonwürfel gegossen, die mit Temperaturfühlern ausgestattet werden, um die optimale Temperatur ermitteln zu können." Er zeigt uns, wie die Temperatur an einem für Testzwecke gegossenen Betonwürfel gemessen wird.
Die Zusammensetzung des Betons ist deshalb so wichtig, weil die neue Schleuse fugenlos gebaut wird. Fugen bedeuten laut Mertes immer eine Schwachstelle im Bauwerk: "Schrammt ein Schiff beim Schleusungsvorgang eine Fuge, dann können kleine Betonstücke abbröckeln." Frost in den Fugen führt dazu, dass der Beton gesprengt wird. Durch die fugenlose Bauweise werden diese Probleme umgangen.
In dem neuen Bauwerk befinden sich nur noch sogenannte Arbeitsfugen, die durch das Aneinanderbetonieren der einzelnen Abschnitte entstehen. Diese waren früher 15 Meter lang, heute können sie bis zu 45 Meter lang sein. Damit die höheren Bewegungsspannungen aufgefangen werden können, wird wesentlich mehr Stahl in die Betonwände eingearbeitet, die die Spannungen auffangen.
Auf diese Weise können die Selbstheilungskräfte des Betons aktiviert werden. Mertes: "Durch den vielen Stahl wird verhindert, dass ein einzelner großer Riss entsteht, stattdessen treten viele, kaum erkennbare Risse auf." Diese weniger als einen Millimeter großen Risse werden durch die Feinstpartikel im Wasser wieder zugesetzt.
Um uns zu demonstrieren, wie riesig die Baugrube ist, stellt sich Mitarbeiterin Marisa Schneider hinein. Sie verschwindet fast in dem riesigen Loch. Mertes: "Wenn der Aushub fertig ist, ist die Grube 15 Meter tief." Zuvor wurden landseitig zwei Bohrpfahlwände errichtet, die dafür sorgen, dass im Trockenen gearbeitet und die Baugrube ausgehoben werden kann.
Außerdem wird zur Sicherung der Baugrube im Inneren eine sogenannte Spundwand aus Stahl errichtet. Beim Rammen dieser Spundwände in die Erde kann es sehr laut werden. Vor einigen Wochen war das der Fall, als sich Anwohner in Trier-Feyen und Süd darüber beschwerten. Das war allerdings eine Ausnahme.
Stabilität ist alles


Damit die Grube nicht zusammenfällt, wird sie außerdem durch Aussteifungsrohre gestützt. Mertes' Kollegin Marisa Schneider erklärt: "Die Aussteifungsrohre wurden extra weiß gestrichen, damit sie sich nicht erhitzen und ausdehnen. Wenn die Schleuse fertig ist, werden sie wieder abgebaut." Wenn die Baugrube fertig ist, wird eine dünne Betonschicht aufgetragen. Danach wird die zwei Meter dicke Kammersohle, sozusagen der Fußboden der Schleusenkammer, betoniert. Außerdem werden die Kammerwände gebaut. Sie sind zwei Meter stark. Im Bereich der Längskanäle sind sie sogar fünf Meter dick.
Zum Schluss werden alle Bauteile aus Stahl eingebaut: die Ober- und Untertore, die Längskanalverschlüsse sowie der Schwimmpoller. Dann werden noch die Antriebe sowie die Elektrotechnik installiert. Nach Prüfung der Dichtigkeit kann der Probebetrieb losgehen.
Die zweite Schleusenkammer ist dann 210 Meter lang und 12,5 Meter breit. Damit ist sie 40 Meter länger und einen halben Meter breiter als die erste Schleuse.
Neues Befüllungssystem


Nicht nur die Dimensionen der Schleuse, sondern auch das System ihrer Befüllung hat sich geändert. Mertes erklärt: "Bei der alten Schleuse wurde das Tor angehoben, und Wasser ist darunter durchgelaufen. Beim neuen System verlaufen links und rechts entlang der Kammerwände Längskanäle, die über mehrere Stichkanäle an den Seiten mit der Kammer verbunden sind." Über die Stichkanäle wird die Kammer befüllt. Durch die Anordnung der Stichkanäle wird die Strömung reduziert. Das Schleusen geht schneller und ist ruhiger.
Zum Schluss unserer Rundfahrt über die Baustelle schauen wir uns die Ersatzmaßnahme Monaise an. Im Moment wird dort noch viel Erde bewegt. Was jetzt noch kahl aussieht, wird bald grün werden. Auf einer 15 Hektar großen Fläche wird ein naturnaher Uferabschnitt entstehen. Dort können sich dann wieder Vögel und Fische ansiedeln. Besucher können die Auenlandschaft hautnah erleben, denn der Moselradweg verläuft direkt an dem Gebiet vorbei. Zusätzlich wird es noch eine Besucherplattform geben.

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