Ein besonnener Glückskeks

Normalerweise mag ich Glückskekse, auch wenn der Teig nicht schmeckt. Denn auf den Zetteln, die darin stecken, stehen so nette Sachen wie: "Heute ist dein Glückstag, morgen auch, alle lieben dich, du bist erfolgreich, schwimmst bald in Geld, wirst glücklich sterben und der November wird super." Mein letzter Glückskeks-Zettel allerdings war eine herbe Enttäuschung: "Du bist besonnen und vernünftig", stand darauf.

"Besonnen und vernünftig, na super", dachte ich. Wieso können die nicht schreiben: "Du bist jung und wild"? Und dann geriet ich ins Grübeln. "Glaubst du, ich bin besonnen und vernünftig", fragte ich meinen Kollegen Alex besorgt. Der fragte zurück, wann ich zuletzt bis vier Uhr morgens um die Häuser gezogen sei, obwohl ich am nächsten Tag arbeiten musste. Das war mindestens ein halbes Jahr her. Er fragte, ob ich mir regelmäßig die Zähne putze. Das tue ich. Er fragte, ob ich zu den Schnell- oder den eher Langsam-Fahrern gehöre. "Eher langsam", sagte ich. Und dann stellte er eine ganz fiese Fangfrage. "Hast Du einen Bausparvertrag?" Ich machte von meinem Antwort-Verweigerungsrecht Gebrauch, griff zum Hörer und bestellte Rindfleisch Chop Suey. Mit extra Reis. Und Glückskeks. Der Keks schmeckte schon wieder nicht und brachte mich auch sonst nicht weiter: "Die Zwei ist deine Glückszahl", stand darin. Während ich noch darüber nachdachte, was ich mit der Zwei zu schaffen haben könnte: zwei Beine, zwei Nasenlöcher, zwei belgische Zuckerwaffeln als Nachtisch, zwei…begann meine Kollegin Dagmar über die Zahlen-Neurose David Beckhams zu sprechen. Der ertrage es nicht, wenn drei oder fünf Dinge nebeneinander stünden, es müssten immer vier sein. Und da dachte ich mir: Vielleicht hat es ja auch Vorteile, besonnen und vernünftig zu sein.

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