Ein Buch, das Erinnerungen wachruft

Gusterath-Tal · Was ist die wahre Geschichte der Firma Romika? Der Trierer Autor Heinz Ganz-Ohlig hat sie recherchiert und auf 220 Seiten festgehalten (der TV berichtete). In Gusterath-Tal, dem ehemaligen Sitz der Romika, hat er vor rund 100 Zuhörern gelesen, Aufschluss gegeben - und einige Erinnerungen geweckt.

 Edmund und Elfriede Zeltinger, Zuhörer der Lesung und ehemalige Arbeiter der Romika, lassen sich Bücher von Autor Heinz Ganz-Ohlig signieren. Foto: KatJA Bernardy

Edmund und Elfriede Zeltinger, Zuhörer der Lesung und ehemalige Arbeiter der Romika, lassen sich Bücher von Autor Heinz Ganz-Ohlig signieren. Foto: KatJA Bernardy

Gusterath-Tal. Dort, wo einst die Modellabteilung der Firma Romika war, steht nun die Schreinerei Brankonier/Müller. Zwischen Holzplatten und Handwerkszeug haben rund 100 Gäste auf Stühlen und wegen des großen Andrangs auf zusätzlich aufgestellten Festzeltbänken Platz genommen. Unter den Zuhörern ist auch Björn Lemm, ehemaliger Juniorchef der Romika, sowie viele "Romikaner", wie Verbandsgemeindebürgermeister (VG) Bernhard Busch in seiner Rede diejenigen nennt, die jahrelang dort gearbeitet haben
Große Bedeutung für die Region


Der VG-Chef hebt die Bedeutung der Firma hervor: "Die Menschen im Ruwertal und im Hochwald, die traditionell auf kleine landwirtschaftliche Betriebe angewiesen waren, hatten hier erstmals die Möglichkeit, darüber hinausgehend Geld zu verdienen, um sich bessere Lebensgrundlagen zu schaffen."
Der Trierer Autor Heinz Ganz-Ohlig berichtet, unterstützt durch seinen Nachbarn Wulf Werbelow, an historischer Stätte von den Ergebnissen seiner Recherche: Jahrzehntelang galt Hellmuth Lemm als Gründer und Namensgeber der Schuhfabrik Romika. Doch die Firmengründer waren die drei jüdischen Schuhfabrikanten Hans Rollmann, Carl Michael und Karl Kaufmann.
Ganz-Ohlig klärt auf, wie die Firmenchefs von den Nazis verfolgt und systematisch aus dem Unternehmen gedrängt worden sind. "Hellmuth Lemm hatte mit der Vertreibung nichts zu tun", sagt der Autor. Ab der Firmenübernahme 1936 habe er die Verantwortung getragen. Die Romika sei während des Zweiten Weltkrieges eine "kriegswichtige Produktionsstätte" gewesen. Dichtungen für Minen etwa seien dort hergestellt worden. Viele Zwangsarbeiter seien dort beschäftigt gewesen. Ganz-Ohlig geht von 1000 Zwangsarbeitern aus.
Erinnerungen an die Tante


Eine 72-jährige Frau aus Gutweiler, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erinnert sich an Erzählungen ihrer im Jahr 1900 geborenen Tante. "Sie hat uns oft erzählt, dass sie das Elend mit den Zwangsarbeitern gesehen habe", sagt die Seniorin am Rande der Lesung. Die Tante habe immer wieder davon berichtet, wie sie dabei ertappt worden sei, als sie den Zwangsarbeitern heimlich selbst gebackenes Brot geben wollte. "Daraufhin musste sie zu einem Amt, und ihr wurde mit Zwangsarbeit gedroht, wenn sie das noch einmal machen würde", sagt die Gutweilerin.
Noch lange tauschen sich Zuhörer nach der Lesung aus. "Sehr aufschlussreich", kommentiert ein ehemaliger Romika-Arbeiter, während er in dem frisch erstandenen Buch blättert. Bernhard Busch nennt das Werk einen wichtigen und bislang fehlenden Baustein in der Geschichte der Romika. Für Karl Liebermann, Enkel einer der jüdischen Firmengründer, bedeutet es noch viel mehr. Laut Ganz-Ohlig hat dieser sich durch das Buch mit der Geschichte versöhnt. "Er will demnächst nach Gusterath-Tal kommen", sagt der Autor.
Extra

Heinz Ganz-Ohlig ist auf der Suche nach weiteren Fotos, Dokumenten sowie Zeitzeugen. Menschen, die die Recherche unterstützen möchten, können sich unter mail@ emil-frank-institut.de oder unter 06571/260126 an das Emil-Frank-Institut in Wittlich wenden. katExtra

Das Buch "Romika - Eine jüdische Fabrik" ist als Band 16 der Schriften des Emil-Frank-Instituts im Paulinus-Verlag erschienen (ISBN 978-3-7902-1902-9). Mitfinanziert wurde es von der Verbandsgemeinde Ruwer. Unterstützung gab es unter anderen von den Ortsgemeinden Gusterath und Gutweiler sowie der heutigen Romika Shoes GmbH. kat

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