Ein Faltenhund auf Abwegen

TRIER-BIEWER. Wie kommt ein Hund in die luftige Höhe eines Felsvorsprungs bei Biewer? Diese nach wie vor unbeantwortete Frage stellten sich wohl auch die zahlreichen Menschen, die gekommen waren, um das Tier im Laufe einer abenteuerlichen Rettungsaktion zu bergen.

Die Urahnen der Shar-Pei, der Faltenhunde, stammen aus Dialack, einem Gebiet nahe des chinesischen Kantons Guangzhou. Dort legten sie, wie Funde beweisen, schon während der Han-Dynastie (206 vor Christus bis 220 nach Christus) ihr Hundegesicht in sorgenvolle Falten. Völlig zurecht - zumindest was ihre modernen Nachfahren betrifft. Nachdem die in den 50er Jahren vom Aussterben bedrohte Rasse gerettet werden konnte, zeigte nun einer der glücklichen Überlebenden wenig Einsatz, um diesen schönen Erfolg fortzusetzen. Aus bislang ungeklärter Ursache hatte es den Hund von China nach Trier-Biewer verschlagen. Dort fanden ihn - durch sein Bellen aufmerksam geworden - die Bewohner eines Hauses in der Donaustraße. Der weizengelbe Hund saß stirnrunzelnd in etwa sechs Meter Höhe auf einem 7,2 Meter langen und 50 Zentimeter breiten Felsvorsprung - und konnte sich weder nach unten noch nach oben aus seiner misslichen Lage befreien. Wie er in die Felswand, die gleich hinter dem Haus steil aufragt, gekommen war, weiß niemand. "Vielleicht hat der Hund nach Nahrung gesucht. Er war jedenfalls ganz ausgehungert", sagt der Longuicher Tierarzt Thomas Backhaus, der bei der Rettung des Tieres eine wesentliche Rolle zu spielen hatte. Von dieser Rolle ahnte er jedoch auch zwei Stunden, nachdem man das Tier entdeckt hatte, noch nichts. In dieser Zeit mühten sich nämlich fünf Feuerwehrleute um die Bergung des Shar-Peis. "Mit Schlinge, guten Worten und Frolic", sagt der Tierarzt. Das Ganze aus der Luft und - wie sich herausstellte - vergeblich. Nach Information der Berufsfeuerwehr hatten die Feuerwehrleute versucht, sich zu dem Tier herabzulassen. Unweit des Felsvorsprungs, mussten sie feststellen, dass es keine gute Idee ist, sich einem Shar-Pei aus der Luft zu nähern. Der Hund bellte, fletschte seine von blauschwarzem Zahnfleisch umgebenen Zähne und drohte vom Felsvorsprung zu stürzen. Nach rund zwei Stunden beschlossen sie, ihre Taktik zu ändern. Sie alarmierten den Tierarzt. Dieser rückte mit Pfeilen und einer neuen Strategie in Biewer an. Mit einer langen Leiter und viel Geduld versuchte er, das wütende Tier durch ein Blasrohr mit einem Betäubungspfeil zu treffen. Der vierte saß. Der Schlummer des Vergessens konnte zwar das Stirnrunzeln nicht aus dem Antlitz des Unglücklichen tilgen, doch ließ er sich nun endlich von seinem höchstwahrscheinlich unfreiwillig bezogenen 3,5 Quadratmeter großen Revier trennen. In Biewer ist seitdem Ruhe eingekehrt. Der Hund sorgt nun andernorts für Trubel. "Kaum aufgepeppelt, macht er uns das Leben schwer. Das ist ein Dank", sagt Backhaus lachend. Anders als der Hund selbst ist die Stadt Trier offensichtlich bereit, in die Rettung der chinesischen Rasse zu investieren. Fünfmal vier Stunden à rund dreißig Euro, plus rund 500 Euro für Fahrzeug und Gerät, macht 1100 Euro, plus Tierarzt-Kosten. Hätten des Shar-Peis Vorfahren geahnt, wie wichtig einst auf der anderen Seite der Welt das Wohlergehen jedes Einzelnen von ihnen sein würde, so hätten sie sich vielleicht einige Sorgenfalten erspart. Hinweise zur Herkunft des Tieres: Tierarzt-Klinik in Longuich, Tel. 06502/92930.

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