Ein ganz besonderes Familienmitglied

Mehr als 42 Millionen Wagen sind derzeit in der Bundesrepublik zugelassen, das Durchschnittsalter der fahrbaren Untersätze liegt bei 8,2 Jahren. Die meisten Autos werden später entweder verschrottet oder ausgetauscht. Doch es geht auch anders, wie Familie Pauly aus Langsur zeigt.

 Wenn ein Auto zur Familie gehört: Die rote „Ente“ von Familie Pauly ist mehr als 30 Jahre alt und seit 25 Jahren im Familienbesitz. Wolfgang Pauly fährt den Wagen in der zweiten Generation seit mehr als 20 Jahren. Wenn er hält, könnte Sohn Max (9) ihn in knapp zehn Jahren übernehmen. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Wenn ein Auto zur Familie gehört: Die rote „Ente“ von Familie Pauly ist mehr als 30 Jahre alt und seit 25 Jahren im Familienbesitz. Wolfgang Pauly fährt den Wagen in der zweiten Generation seit mehr als 20 Jahren. Wenn er hält, könnte Sohn Max (9) ihn in knapp zehn Jahren übernehmen. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Trier/Langsur. Wenn Wolfgang Pauly aus Langsur morgens zur Arbeit fährt, dann rollen die Erinnerungen mit: Mit seiner roten 2CV von Citroen — der legendären "Ente" — ist er schon seit 1988 unterwegs. Zuvor fuhr seine Mutter den Wagen fünf Jahre lang. Möbelstücke werden vererbt, Schmuck auch, aber ein Auto in der zweiten Generation? "Sie hat den Wagen damals für 300 D-Mark einem Studenten abgekauft", erinnert er sich. Der angebliche Motorschaden der Ente entpuppte sich nur als kleiner Fehler bei der Zündung, und die Ente war bald wieder flott. "Das war im Jahr 1983, fünf Jahre später habe ich das Auto übernommen."

Erstmals zugelassen wurde die Ente 1977 - und hat damit ganze 32 Jahre auf dem Buckel. Im Durchschnitt ist das Auto der Deutschen nur 8,2 Jahre alt, wie das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg jüngst ermittelte.

Was bedeutet es für die Besitzer, ein so altes Auto zu fahren? "Ich könnte die rote Ente niemals verkaufen, es hängen so viele Erinnerungen daran", sagt Wolfgang Pauly. Unzählige Reisen mit der Familie sind dabei, vor vier Jahren beispielsweise fuhren sie gemeinsam zum Enten-Treffen von Langsur nach Schottland. Der Wagen hielt durch. Und 1997 spielte die Ente sogar in einer Oper mit: "Das Trierer Theater inszenierte ,La Bohème' in den Kaiserthermen, und man wollte unbedingt ein altes Auto als Requisite", erinnert sich der gelernte Automechaniker. "Der Regisseur rief morgens an, sie holten das Auto kurz danach ab, und wir bekamen Freikarten für die Aufführung am Abend." Den Volksfreund-Bericht von damals haben sie aufgehoben.

Der alten roten Ente folgten zwei weitere: Eine graue aus dem Jahr 1984 ist seit sechs Jahren im Familienbesitz, und eine weiße des Baujahrs 1989 hat Pauly vor zwei Jahren selbst restauriert. "Die rote bleibt aber immer der Mittelpunkt", sagt seine Frau, Patricia Greenway-Pauly. "Der Wagen hört übrigens auf den Namen ,Zora'."

Ist da nicht irgendwo der Gedanke, doch mal ein anderes Auto zu fahren, ein moderneres? "Eigentlich nicht", sagen beide unisono. "Das liegt aber auch sicher daran, dass ich als Mechaniker alle kleinen Fehler selbst beheben kann und damit nicht jedes Mal in die Werkstatt muss", meint Wolfgang Pauly. Hier und dort mal ein wenig Rost, die üblichen Verschleißteile an Motor und Fahrwerk — aber stehen geblieben ist die Ente noch nie.

Trotz der vielen Geschichten, trotz des Namens — die rote Ente ist und bleibt ein Gebrauchsgegenstand: "So lange ich damit fahren kann, hat sie ihre Daseinsberechtigung. Einen Oldtimer zu besitzen, nur um ihn anzuschauen, das käme mir nicht in den Sinn." Wenn das Auto weiterhin hält, sagt Patricia Greenway-Pauly, werde ja vielleicht der neunjährige Sohn Max das Auto in der dritten Generation fahren.

Extra: 3,2 Rinder isst der durchschnittliche Deutsche in seinem Leben. Er sieht 6,2 Jahre fern, misst als Mann 1,78 Meter, bekommt als Frau mit 30 das erste Kind, fährt 769 000 Kilometer mit dem Auto und trinkt 2235 Liter Wein. Der TV setzt solchen Zahlen Menschen entgegen, dem Durchschnitt das Außergewöhnliche, dem grauen Mittelmaß Farbe. Wir erzählen Geschichten von Persönlichkeiten aus unserer Region,von Ausreißern aus der Statistik. "Wir sind anders!" heißt die neue TV-Serie, zu deren Auftakt wir eine Familie präsentieren, die über das durchschnittliche Auto-Alter von 8,2 Jahren müde lächelt: Ihre "Ente" hat fast das Vierfache auf dem Buckel. (ik)

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