Ein Jahrgang, der Geschichte schreibt

Kanzem/Trier · Wetterkapriolen, eine frühe Ernte und wenig Ertrag kennzeichnen das Weinjahr 2017. Dennoch haben Weinfreunde allen Grund zur Freude.

 Die Qualität in den Tanks stimmt: Der Trierer Winzer Wilhelm Gehlen hat in diesen Tagen viel in seinem Weinkeller zu tun. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Qualität in den Tanks stimmt: Der Trierer Winzer Wilhelm Gehlen hat in diesen Tagen viel in seinem Weinkeller zu tun. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Kanzem/Trier Der Jahrgang 2017 wird in die Geschichte des Weinbaus eingehen. Dessen sind sich die Experten sicher. Die Stimmungslage bei den Winzern schwankte vom Frühjahr bis zum Herbst wegen der extremen Witterung von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Erst kam der warme März, der zu einem frühen Austrieb führte, dann die Frostnacht vom 19. auf den 20. April, danach die Trockenheit im Juni und Juli. Es folgten Starkregen und Hagel Ende Juli, schließlich viel Regen im August mit schwül-heißen Tagen. Es drohte Pilzbefall, zudem platzten viele Beeren auf, was zur Vorselektion und Noternten führte.
Der Verein Moselwein sprach am Freitag bei der Vorstellung der Erntebilanz im Weingut Cantzheim in Kanzem (Saar) von einem Jahr, das zwei Rekorde bricht: Zum einen habe es seit Menschengedenken keine so frühe Ernte gegeben, sagte Moselwein-Geschäftsführer Ansgar Schmitz. Zum anderen sei die Erntemenge so gering ausgefallen wie noch nie in den vergangenen 50 Jahren.
Dennoch dürfen sich die Weinfreunde auf hervorragende Tropfen aus dem Anbaugebiet Mosel freuen. Qualitativ biete der Jahrgang das ganze Qualitätsspektrum vom Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (QbA) bis zur Trockenbeerenauslese, so Schmitz. Eiswein werde es vermutlich keinen geben. Noch sei keiner angemeldet worden. Offenbar wolle kein Winzer angesichts der geringen Erntemengen das Risiko eingehen, auch noch Traubengut zu verlieren, das man in der Hoffnung auf niedrige Lesetemperaturen hängen lässt.
Winzer Wilhelm Gehlen aus Trier ist davon überzeugt, dass der Jahrgang, der in den Kellern von ihm und seinen Kollegen heranreift, viel Freude bereiten wird. "Die Zucker- und Säurewerte passen, das wird ein toller, mineralischer Wein." Gehlen bewirtschaftet 4,5 Hektar, überwiegend im Stadtteil Olewig. Er beziffert seinen Ernteausfall durch Frostschäden auf rund 30 Prozent. Angesichts der geringen Traubenmenge erwartet er, dass es zu moderaten Preissteigerungen kommt. "Die Verluste können wir nicht eins zu eins auffangen."
Michael Philipps bewirtschaftet mit seinem Bruder 8,5 Hektar in Ayl (Saar). Auch er ist mit der Qualität zufrieden, allerdings seien nur 4500 Liter statt der üblichen 7000 bis 8000 Liter pro Hektar geerntet worden. Im Keller präsentiere sich der Most säurebetont und geschmacklich sauber; trotz der Fäulnis hielten sich die Fehltöne in Grenzen.
Winzer Gerhard Kronz aus Fell-Fastrau ist besonders von der Mineralität angetan. Der Regen sei zwar Anfang September spät gekommen, doch er habe dafür gesorgt, dass die Reben über die Wurzeln viele Mineralstoffe aufgenommen hätten. Kronz: "Den Terroir-Geschmack werden wir beim 2017er intensiv erleben."
Nach Einschätzung des Weinbauverbands werden die Winzer von Mosel, Saar und Ruwer voraussichtlich nur 600 000 Hektoliter ernten, das sind 150 000 Hektoliter weniger als 2016 und 200 000 weniger als der Mittelwert im Zeitraum von 2007 bis 2016. Beim Riesling variiert das Mostgewicht je nach Lesezeitpunkt und Ertrag von 70 bis mehr als 200 Grad Oechsle. Die ersten Mostpreise notieren bei einem Euro pro Liter bei Elbling und Müller-Thurgau sowie 1,30 Euro beim Riesling.
Laut Gerd Knebel, Geschäftsführer des Weinbauverbands Mosel, haben die geringen Mengen zu einem regen Trauben- und Mosthandel unter der Winzerschaft geführt. In Südeuropa und in allen deutschen Weinanbaugebieten mit Ausnahme der Pfalz habe es Ernteeinbußen gegeben, so Knebel. Henning Seibert, Vorstand der Winzergenossenschaft Moselland (Bernkastel-Kues), erwartet Lieferprobleme für den Lebensmittel-Einzelhandel: "Die geringen Preise von 2,50 Euro können nicht bedient werden."Extra: TIPPS FÜR EINE MOSELWEINREISE

 Im Keller des Kanzemer Weinguts Cantzheim stellt der Verein Moselwein die Erntebilanz vor. TV-Foto: Albert Follmann

Im Keller des Kanzemer Weinguts Cantzheim stellt der Verein Moselwein die Erntebilanz vor. TV-Foto: Albert Follmann

Foto: (h_tl )


"Zu Gast beim Winzer" lautet der Titel eines Weinreiseführers, der vom Verein Moselwein in Trier herausgegeben worden ist. Auf 400 Seiten listet das Büchlein die Mitglieder des Vereins auf, die in ihren Weingütern, Winzerhöfen, Vinotheken, Straußwirtschaften, Weinstuben und Restaurants vielfältige Serviceleistungen für Gäste anbieten. Ob Weinprobe, Ferienwohnung oder Gästezimmer, Weinbergswanderung, Hausmannskost oder Gourmetküche - in der Broschüre finden Weinreisende und einheimische Weinfreunde Angebote für jeden Geschmack. Die Adressen sind entlang des Flusslaufes nach Orten strukturiert: von Perl bis Koblenz entlang der Mosel, von Serrig bis Konz an der Saar und von Morscheid bis nach Trier-Ruwer entlang der Ruwer. In der Umschlagklappe gibt es eine Karte mit allen Weinorten. Das Verzeichnis "Zu Gast beim Winzer" ist kostenlos und kann schriftlich beim Moselwein e.V., Gartenfeldstraße 12a, 54295 Trier, info@weinland-mosel.de , angefordert werden.

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