Ein Kämpfer für den Sozialstaat

TRIER. Er ist einer von neun Kandidaten für die Wahl zum "Größten Trierer": der katholische Sozialethiker und Jesuitenpater Oswald von Nell-Breuning. Einen Einblick in das bewegte Leben des Ehrenbürgers der Stadt Trier bekamen rund 130 Zuhörer bei einer Diskussion in der Buchhandlung Interbook am Kornmarkt.

Wer war Oswald von Nell-Breuning und warum hat seine Lehre bis heute nichts an Aktualität verloren? Diese Frage versuchte der Politikwissenschaftler Hans-Günther Lanfer vom städtischen Presseamt mit Kennern und Experten des Nestors der katholischen Soziallehre zu beantworten. Oswald von Nell-Breuning wurde am 8. März 1890 als Sohn des Rittergutsbesitzers, Juristen und Ersten Beigeordneten der Stadt Trier, Arthur von Nell, geboren. Doch nach seinem Abitur am Friedrich-Wilhelm Gymnasium verließ er seine Geburtsstadt. 1911 schloss er sich dem Jesuitenorden an und wurde 1921 zum Priester geweiht. In Kiel, München, Straßburg, Berlin und Innsbruck studierte er Theologie, Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften. 1928 promovierte er zu dem Thema "Grundzüge der Börsenmoral". An der 1931 veröffentlichten Sozial-Enzyklika der katholischen Kirche "Quadragesimo anno" wirkte er maßgeblich mit. Die herausragende Stellung des Theologen innerhalb der katholischen Soziallehre betonte Professor Wolfgang Ockenfels von der Theologischen Fakultät. Die Werke von Nells seien heute im Zeitalter der Globalisierung und der Finanzspekulationen wichtiger als je zuvor. "Bis heute lesenswert, aktuell und zukunftsweisend", lautet das Urteil des Moraltheologen. Auf die theoretische Auseinandersetzung des Theologen mit einem anderen berühmten Sohn der Stadt Trier machte Alexander Saberschinsky, Bibliotheksleiter am deutschen Liturgischen Institut, aufmerksam. Beide, Karl Marx und Nell-Breuning, hätten intensiv die Strukturen der Gesellschaft analysiert.Kritischer Freund der Gewerkschaften

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Oswald von Nell-Breuning ein gefragter Berater für Wirtschaft und Politik. Seine Überlegungen zur Währungs- und Rentenreform hatten Einfluss auf die politische Grundordnung der frühen Bundesrepublik. Für seine Arbeiten wurde er mit der höchsten Auszeichnungen der Kirche, des Staats und der Gewerkschaften geehrt. Als einen kritischen Freund der Gewerkschaften bezeichnete Helmut Moes, Gewerkschaftssekretär beim DGB in der Region Trier, den berühmten Theologen. An der Aussöhnung der christlichen Arbeitnehmerschaft mit der gewerkschaftlichen Bewegung habe von Nell-Breuning großen Anteil gehabt. Der private Oskar von Nell Breuning war bescheiden und zurückhaltend. Man habe bei Ehrungen, wie bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Trier im Jahre 1981, den Eindruck gehabt, der Rummel um seine Person sei ihm peinlich gewesen, berichtet Oberbürgermeister Helmut Schröer. Das Bild eines äußerst diszipliniert und asketisch lebenden Menschen zeichnet auch sein langjähriger Mitbruder, Pater Josef Schuster. Bis zu seinem Tod im Alter von 101 Jahren im Jahre 1991 sei er sehr pflichtbewusst und streng mit sich selbst gewesen, berichtet sein Neffe Christoph von Nell-Breuning.

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