Ein Kreislauf, keine Einbahnstraße

Erfrischend grün hebt sich der Weinberg unterhalb des Trierer Petrisbergs vom Einheitsgrau vieler Moselhänge ab. Der Wingert ist begrünt, der Boden locker, die Erträge gut. Und das, obwohl sich Winzer Götz Leimbrock seit 17 Jahren jegliche Düngung spart.

 Oben prächtig gewachsene Reben, die Marianne Leimbrock (links) und Liesel Schneider aufbinden, unten Begrünung, die Götz Leimbrock mit seinem Schmalspurtraktor regelmäßig mäht. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Oben prächtig gewachsene Reben, die Marianne Leimbrock (links) und Liesel Schneider aufbinden, unten Begrünung, die Götz Leimbrock mit seinem Schmalspurtraktor regelmäßig mäht. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. Sie strotzen vor Saft, die Blätter und Triebe im Weinberg von Götz Leimbrock oberhalb des Trierer Hauptbahnhofs am Petrisberg. Und das, obwohl der Winzer aus Burgen an der Mittelmosel den Weinberg "Im Pichter" unterhalb des Fernsehturms seit 17 Jahren nicht mehr gedüngt hat. Nur Kalk bringt er ein, um den PH-Wert zu erhöhen. "Ohne Kalk geht nichts, dann wird der Boden sauer wie Zitronensäure", sagt er.

Bei den regelmäßigen Bodenkontrollen habe er damals von der ehemaligen Landeslehr- und Versuchsanstalt die Empfehlung erhalten: "Die nächsten fünf Jahre keine Düngung." Er ist ihr gefolgt; seit 1992 ist in seinem Berichtsbuch keine mehr vermerkt. Die Auswirkungen: keine. "Die Ernten sind nicht zurückgegangen", stellt der 78-Jährige mit Blick in sein Buch fest. Doch es ist nicht egal, was zwischen den Reben wuchert.

Bei Leimbrock wachsen Gras, Löwenzahn und - besonders wichtig - verschiedene Schmetterlingsblütler wie Weiß- und Gelbklee, Erbsen, Wicken und Ackerbohnen. "Solche Leguminosen können molekularen Stickstoff aus der Luft binden und für die Mikroorganismen im Boden verfügbar machen", erklärt Norbert Resch vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel in Trier. Da könne sich der Winzer die Düngung sparen.

Pflanzen schnappen sich die Närstoffe



Der Bodenkundler empfiehlt, jede zweite Reihe zwischen den Stöcken Mitte April zu mähen, die anderen erst, wenn die Blumen ausgeblüht sind, um die Samen im Boden zu halten. "Wir arbeiten für das System, nicht nur für die Reben."

Leimbrocks Vater hat den 4,8 Hektar großen Weinberg 1921 gekauft. Auf der höheren Weinbaufachschule in Bad Kreuznach hat der Sohn 1953/54 erste Weitraumanlagen geplant, später dann nach und nach auch in seinen Weinbergen. "Ich hatte mich ganz früh geärgert, dass ich bei geringstem Regen nicht mehr durch die Reihen fahren konnte", erzählt er. Deshalb habe er 1963/64 mit der Begründung angefangen, zuerst nur im Sommer, dann ganzjährig. Und dabei festgestellt, dass sie noch mehr Vorzüge hat. Inzwischen habe er den gesamten Betrieb umgestellt.

Die Reihen sind mit 2,8 Meter breit genug, um mit dem Schmalspurtraktor zu mähen und zu spritzen. Gemäht wird vier- bis sechsmal im Jahr; je trockner, desto häufiger. "Wenn man Klee haben will, darf man nicht zu kurz mähen, sonst geht er kaputt", weiß Leimbrock. Der Streifen unter den Stöcken müsse freigehalten werden, "sonst wachsen sie schlechter".

Beim offen gehaltenen Weinberg werden die Nährstoffe mit den Niederschlägen weggespült, erklärt Resch. "Bei Begrünung ist der Stofflauf anders. Die Pflanzen schnappen sich die Nährstoffe und transportieren sie nach oben. Das ist ein Kreislauf, keine Einbahnstraße." Ein gut bearbeiteter Weinberg könne über zwei bis drei Jahrzehnte ohne Düngung auskommen - das spare dem Winzer zudem die Ausgaben für den Dünger. Und tatsächlich zeigt der Stickstoff-Teststeifen im Pichterer Pflanzensaft weitaus mehr als 100 Milligramm an - 50 Milligramm sind ausreichend. Extra Die Begrünung steigert und erhält die Bodenfruchtbarkeit. Zudem schützt sie vor Schädlingen, indem sie das Gedeihen von Nützlingen fördert. Ein tief und breit verzweigtes Wurzelwerk bedeuten nicht nur ausreichend Nährstoffe für die Pflanzen. Es verhindert das Abtragen des Bodens bei Regenfällen und Unwettern. Ungedüngte Reben wachsen langsamer, sind weniger anfällig für Parasiten und verholzen schneller - die Reben sind stabiler, die Trauben hängen fest am Stil. Bei einer Erntemenge von 5000 bis 7000 Litern pro Hektar werden die Aromate in den Weinen besser ausgebildet. Der Winzer erhält einen leichten, grazilen und bekömmlichen Tropfen. Ein Überangebot von Stickstoff hingegen lässt Blätter und Stiele schnell wachsen. Dadurch wird die Pflanze empfindlicher gegenüber Schädlingen und Fäule, oft fallen die Trauben vorzeitig ab. (mehi)

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