Ein Leben in Fotos

Trier-Mariahof · "Er ist ein besonderer Mensch", sagt Margarete Heigel über Werner-Viktor Schwalbe, der am Freitag, 19. April, seinen 90. Geburtstag feiert. Die 69-Jährige ist die Lebensgefährtin des ehemaligen Operettensängers, Schauspielers und Fotografen. Auch wenn er sich wegen seiner Krankheit nicht mehr an die vielen Stationen seines Lebens erinnern kann - Tausende Fotos erzählen die ungewöhnliche Lebensgeschichte des charismatischen Mannes.

Trier-Mariahof. Gut aussehend, ganz in Weiß gekleidet, grau melierte Haare, gelbe Schuhe: Der mondäne, gepflegte ältere Herr ist Margarete Heigel (69) vor 14 Jahren sofort aufgefallen. In einem Café an der Côte d\'Azur bot er ihr an, sie später in seinem roten Sportwagen in ihr Domizil zu fahren, zeigte ihr in den kommenden Tagen die südfranzösische Küste und eroberte ihr Herz. Bis heute sind sie ein Paar. Er, das ist Werner-Viktor Schwalbe, der am Freitag seinen 90. Geburtstag feiert.
Die Kennenlern-Geschichte des Paars könnte aus einem Film stammen - wie auch die Lebensgeschichte von Werner-Viktor Schwalbe. Die beginnt 1923 in Oberschlesien.
Wie viele junge Männer wurde der Sohn eines Lehrers zum Kriegsdienst eingezogen. Doch es war die Bühne, die den gebildeten und schöngeistigen Mann lockte. Er absolvierte sein Schauspielstudium in Hannover, das er sich durch das Malen von Reklametafeln finanzierte.
Mit ihm studierte Hellmut Lange (unter anderem Stahlnetz; gestorben 2011). Schwalbe, Lange und andere junge Schauspieler haben 1947 sogar selbst für ihre Bühne gesorgt, ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt sie, wie sie beim Wiederaufbau des durch Bomben zerstörten Theaters in Hannover helfen.
Auf vielen Bühnen in Deutschland stand Schwalbe, er lebte für den Applaus, spielte und sang in Jedermann, Der blaue Heinrich, Die Fledermaus, hatte Autogrammkarten, die er vor allem seinen weiblichen Fans gern zusteckte.
Exklusive Heilig-Rock-Fotos



In Trier lebt Schwalbe seit Anfang der 1950er Jahre, denn seine erste Frau stammte aus Olewig. Das Bühnenleben gab er auf. Um seine Familie versorgen zu können, absolvierte er eine Ausbildung zum Fotografen. Später machte er sich selbstständig, gründete seinen eigenen Ansichtskarten- und Dia-Verlag.
Er sicherte sich 1959 die Rechte für die Vermarktung von Fotos des Heiligen Rocks, die er erst im Alter von 83 Jahren verkaufte. Er fotografierte Sehenswürdigkeiten in Trier und an der Mosel. Hundertfach sind Postkarten mit Urlaubsgrüßen und seinen Bildern in die Welt verschickt worden.
Menschen Ganz nah


Aber die Welt kam auch zu ihm: in Gestalt von Tänzerinnen, die in Nachtbars Männerfantasien anheizten. So mancher Straßenkreuzer parkte in dem ruhigen Mariahofer Wohngebiet, so manche Dame brachte Accessoires wie Schlangen mit. In Schwalbes Fotostudio ließen sie die Hüllen fallen, Schwalbe inszenierte die Frauen und Transvestiten erotisch, geschmackvoll, nie pornografisch. Auch in dem Garten des kleinen Hauses machte er schon mal Aufnahmen - sehr zum Gefallen jugendlicher Zaungäste, die einen Blick über die Hecke zu erhaschen versuchten.
Selbst hat Werner-Viktor Schwalbe heute nur noch wenig Erinnerungen an diese Zeiten. "Die Krankheit hat vor drei Jahren schleichend begonnen, er hat zunächst Kleinigkeiten vergessen", sagt seine Lebensgefährtin. Heute sei er in sich gefangen. Aber Tausende von Fotografien, Dias und Negativen erzählen immer noch von Werner-Viktor Schwalbes bewegtem Leben.

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