Ein Mann für komplizierte Rollen

TRIER. Die Fastnacht lebt auch in Trier von den Originalen. Jede Karnevalsgesellschaft hat ihre "Stars", und viele der rund 15 000 Besucher, die allein in der Stadt in die Kappensitzungen strömen, kommen wegen der Kultfiguren der fünften Jahreszeit. Zum Beispiel wegen Jürgen Jakobs.

Wie kommt ein Mensch auf die Idee, eine Büttenrede in der Rolle als Tisch zu halten? Genauer gesagt, als feierlich eingedecktes "Käptn's Dinner" inclusive strahlendem Kronleuchter auf dem Kopf? Na ja, sagt Jürgen Jakobs, eigentlich habe er als "schwangere Auster" auf dem "Traumschiff" der KG "M'r wieweln noch en Zalawen" auftreten wollen, aber das sei "zu kompliziert" gewesen. Dabei hat der 40-Jährige, der seit über einem Vierteljahrhundert auf der Fastnachtsbühne steht, nichts gegen komplizierte Kostümierungen. "Der einfache Weg ist mir zu einfach", lacht er. So ist er als Kalorienbombe aufgetreten, als Zwiebel oder Nachschattengewächs. Aber so skurril die Rollen sein mögen: Er baut traumwandlerisch sicher seine Pointen drumherum. Keine Witze von der Stange, wie bei manchen Kollegen. Jürgen Jakobs erfindet seine Gags selbst, statt diskret im Internet unter www.witze.de das Scherz-Repertoire zu plündern. Was ihm schon deshalb schwer fiele, weil er gar keinen Computer besitzt. Zur Fastnachtsbühne zog es ihn schon als Knirps. Seine Eltern betrieben eine Bäckerei in der Lindenstraße, da war Zurlauben nicht weit. Eine Freundin seiner Mutter, die bei den "Wiewelern" aktiv war, vermittelte ihm die Zalawener als närrische Heimatbasis. Weil er nicht nur gerne redete, sondern auch sang, gründete er mit Freunden 1978 die "Duckentcher", bis heute eine feste Größe im Trierer Karneval. Kein Wunder, dass ihn die Proben und Vorbereitungsarbeiten inzwischen zum Ganzjahres-Karnevalisten gemacht haben. Als der gelernte Koch und Kellner vor fünf Jahren seinen Job als Restaurantleiter im Olewiger "Blesius-Garten" antrat, machte er den nötigen Freiraum für seine närrischen Aktivitäten quasi zur "Vertragsbedingung". Wahrscheinlich braucht er den Kontrast. Wer den in Arbeit und Freizeit stets akkurat gekleideten, sorgfältig frisierten und auf Umgangsformen bedachten Jakobs jemals in seiner Rolle als hyperaktive, ausflippende Hälfte des Duos "Trips und Trilles" erlebt hat, wird sich unweigerlich an Dr. Jekyll und Mr. Hyde erinnert fühlen.Nicht in eine Schublade gedrückt werden

Einen Moment lang hat er mit dem Gedanken gespielt, die andere Seite seines Ichs zum Beruf zu machen. Anfang der Neunziger, als er im Travestie-Duo "Porta Sisters" Erfolge feierte, die ihn bis nach Frankfurt brachten. Aber so ganz konnte er sich dann nicht entschließen. "Ich glaube, es hat nicht sein sollen", sagt er heute. Obwohl immer noch Anfragen kommen, beispielsweise von der "Rosa Sitzung" der Trierer Schwulenszene. Aber er wollte "nicht in eine bestimmte Schublade gedrückt werden". So ist er das Zugpferd der Wieweler geblieben, deren "familiäre Atmosphäre" er liebt. Ab und zu ist auch eine größere Rolle im Theater drin, wie im Rock-Ballett "Wash". Womit er im nächsten Jahr auftritt, weiß er noch nicht. Aber eines dürfte feststehen: Etwas einfaches wird es nicht werden.

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