Ein Ruwertaler Trierer

TRIER/MERTESDORF. In einer Firma vom Lehrling zum Chef - diese ungewöhnliche Karriere hat Gert Burscheid hingelegt. Mit seinem Abschied in den Ruhestand geht bei der Sparkasse Trier eine Ära zu Ende. Der Trier-Gesellschaft bleibt der 62-Jährige Mertesdorfer als Schatzmeister erhalten.

Die Eltern wollten, dass er zur Romika geht. Doch Gert Burscheid, der die Qual der Wahl hatte, entschied sich für den "schwierigeren Weg ohne Vitamin B" und heuerte 1957 bei der Kreissparkasse Trier an. Bereut hat er es nie. Immerhin mauserte sich der junge Mertesdorfer vom Lehrling, der sein erstes Selbstverdientes in der Lohntüte erhielt, zum Chef-Banker seines Instituts. Eine aus heutiger Sicht nahezu undenkbare Karriere.Mit 39 Jahren Stadtsparkassen-Direktor

Die höheren Weihen erwarb sich der Volks- und Handelsschul-Absolvent auf dem zweiten Bildungsweg und in etlichen Wanderjahren. Wichtigste Station: dreieinhalb Jahre als Verbandsprüfer beim Sparkassen- und Giro-Verband Rheinland-Pfalz in Mainz, wo er 1968 das Verbandsprüfer-Examen ablegte. Ende 1969 kehrte Burscheid in seine Geburtsstadt zurück - zur Stadtsparkasse, die ihm die Leitung des Innenbetriebs übertrug und ihn bald zum Vorstandsvertreter berief. Zum Direktor avancierte Gert Burscheid im Oktober 1981 als Nachfolger von Heinzkarl von Leoprechting. Gemeinsam mit Josef Marquenie und Hermann Lehnertz bildete er den Vorstand.Der mit dem Aufstieg verbundene Wechsel vom Innenbetrieb ins Kundengeschäft bleibt Burscheid in lebhafter Erinnerung: "Wir hatten es 1981 mit drei großen Konkursen zu tun. Plötzlich stand die Stadtsparkasse als einer der größten Weinverkäufer an der Mosel da." Mehr Freude als das Versilbern des goldenen Rebensaftes aus dem Sicherungsgut bereitete dem Jung-Direktor sein Engagement im Existenzgründungs-Management und Kreditgeschäft; beides gehörte bis ans Karriere-Finale zu seinen Hauptaufgaben. Nebenher fungierte Burscheid lange Jahre als Vorstandsmitglied im Kreis junger Unternehmer.Nach 46 Jahren im Dienste der Sparkassen-Organisationen, davon fast die Hälfte als Vorstandsmitglied, räumt Burscheid nun sein Büro Theodor-Heuss-Allee: "Ich gehe ein Jahr früher in Ruhestand", sagt er, und fügt ein schelmisches "selbstverständlich ohne Abfindung" hinzu. Einen Nachfolger gibt es nicht, dafür aber einen neuen Organisationsplan, der dem mittleren Management mehr Verantwortung überträgt. Mit dem Abschied Burscheids schrumpft der Vorstand von anfangs fünf auf drei Köpfe (Dieter Mühlenhoff, Günther Passek, Remigius Kühnen) - so wie es die Vereinbarungen der am 1. Januar 1995 fusionierten Stadt- und Kreissparkasse vorsahen.Die knapp 1100 Mitarbeiter zählende zweitgrößte Sparkasse im Lande verlässt Burscheid "in einer guten Situation und nicht zuletzt deshalb mit Vergnügen. Ich habe meinen Beruf immer gerne ausgeübt und denke, ich bin bei der Kundschaft nicht schlecht angekommen". Die außerordentlich positive öffentliche Meinung über ihn bestätigt die "unbescheidene Selbsteinschätzung".Die Ehrenämter als Schatzmeister der Friedrich-Spee-Gesellschaft und des Stadtbibliothek-Fördervereins hat der 62-Jährige abgegeben. Der Trier-Gesellschaft zur Erhaltung von Baudenkmälern bleibt er in selber Funktion erhalten und kündigt noch mehr Engagement an: "Unsere größte Einnahmequelle war stets die Trier-Tombola. Wir sollten sie mit neuem Konzept wieder aufleben lassen."Enkel halten Wanderer auf Trab

Langeweile droht dem frisch gebackenen Ruheständler garantiert keine. Der "Ruwertaler Trierer - auch wenn mich der OB immer als Land-Ei bezeichnet" - und passionierte Wanderer will seinem Geschichts-Faible durch Ahnenforschung und Teilnahme an einem Stadtführer-Ausbildungskurs frönen. Außerdem werden ihn Gattin Ulla und die Enkel Frederick (8), Isabella (6) und Maxim (3), die Kinder von Sohn Ulrich (36) "ganz sicher auf Trab halten".Auch wenn er auch einst ihren eindringlichen Rat missachtete und kein "Romikaner" wurde, so sieht Gert Burscheid die Eltern "dennoch als leuchtende Vorbilder": Vater Gerhard zählt 94, Mutter Elisabeth 91 Lenze. Letztes Jahr feierten sie Gnadenhochzeit.

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