TV Serie Landmarken Ein Turm, der für Schweich einst das Tor zur Welt war

SCHWEICH · Knapp 230 Jahre ist der Schweicher Fährturm alt. Doch eine Geschichte geht viel weiter zurück. Selbst ein Geist wurde schon über die Mosel gebracht.

Der Schweicher Fährturm im Jahr 2019: Wo früher die Menschen auf die Überfahrt warteten, ist heute ein Campingplatz.

Der Schweicher Fährturm im Jahr 2019: Wo früher die Menschen auf die Überfahrt warteten, ist heute ein Campingplatz.

Foto: Noah Drautzburg

Der Fährturm ist das Wahrzeichen von Schweich. Wer sich der Stadt von der Mosel aus nähert, kann ihn kaum übersehen. Das genaue Erbauungsdatum ist nicht überliefert, doch durch verschiedene Quellen lässt sich der Zeitraum eingrenzen, in dem der Turm gebaut worden sein muss: zwischen 1791 und 1794.

Tatsächlich beginnt die Geschichte des einst wichtigsten Wasserweges über die Mosel jedoch fast 1500 Jahre früher. Im vierten Jahrhundert soll der Trierer Weihbischof hier den Geist von Rictius Varus auf die andere Moselseite geschafft haben. Der hatte als römischer Statthalter in Trier Christen verfolgt und der Sage nach auch nach seinem Tod noch in der Stadt gewütet. Als die Fähre unterzugehen drohte, fragte der Fährmann den Bischof, was dieser bei sich habe. „Da lüftete dieser seinen Mantel“, heißt es in der Sage, „und die Fratze von Rictius Varus grinste rotglühend den Fährmann an, worauf dieser augenblicklich in Ohnmacht fiel.“

Über Jahrhunderte hinweg setzten bei Schweich Menschen über die Mosel, seit dem 13. Jahrhundert war die Fähre im Besitz der Abtei St. Maximin. Regelmäßig kam dem Betrieb jedoch die starke Strömung in die Quere. Als die Fähre wegen eines Hochwassers im Jahr 1783 für längere Zeit nicht fahren konnte, war klar, dass eine neue Lösung her musste.

Die Idee: An beiden Uferseiten wurde ein Turm gebaut, dazwischen spannte man ein mehr als 250 Meter langes Drahtseil. Über eine frei drehende Rolle leinte man die Fähre an diesem Seil an, so dass sie vor dem Abtreiben geschützt war.

Ob, wie es oft heißt, der letzte Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus die Türme bauen ließ oder das Maximinkloster, ist nicht klar. Fest steht jedoch: Die neue Fähre wurde schnell der Renner. In der Trierischen Chronik aus dem Jahr 1825 heißt es: „Viele nach Coblenz und andere Ortschaften Reisende setzen lieber in Schweich über, als dass sie der Straße von Trier nach Ehrang usw. folgen.“

Keine andere Moselfähre musste in diesem Jahr mehr Pacht entrichten, die Überfahrt wurde zum sozialen Ereignis. „Ein schneller Pastor und ein langsamer Fährmann bringen viele Leute zusammen“, sagte man. 1844 beantragte der damalige Fährmann Heinrich Adams sogar die Inbetriebnahme einer zusätzlichen Fähre, um dem Ansturm auf die Heilig-Rock-Ausstellung in Trier gerecht zu werden.

Doch mit dem Aufkommen neuer Mobilitätsformen verlor die Fähre an Bedeutung. Im Jahr 1902 musste der zweite Turm dem Bau der Moseltalbahn weichen. Als 1906 nur wenige Meter entfernt die Moselbrücke in Betrieb ging, wurde der Fährbetrieb endgültig eingestellt.

Doch als nach dem Zweiten Weltkrieg die Brücke irreparabel beschädigt war, lebte die Fähre noch einmal auf. Mehr als drei Jahre lang war sie erneut der einzige Weg, um ohne großen Umweg auf die andere Moselseite zu gelangen. Das Seil befestigte man statt am zweiten Turm an einem gegenüberliegenden Gasthaus. „Das Seil ist öfter mal abgerissen“, erinnert sich eine Schweicherin.

Am 9. Januar 1949 wurde die neue Moselbrücke eröffnet. Wegen der wichtigen Lage war sie eine der ersten, die nach dem Krieg fertiggestellt wurden.

Vieles über die Geschichte des Fährturms lässt sich in einer Akte nachlesen, die das Wasserschifffahrtsamt einst entsorgen wollte. Doch dazu ist es nicht gekommen, wie Manfred Kreusch erzählt. Ein Schweicher Bürger habe das historische Dokument entdeckt und sich damit an die Kreuschs gewandt.

Die Familie ist seit Anfang der 1970er Jahre Pächter des Geländes, auf dem der noch erhaltene Fährturm steht. In jedem Sommer verwandelt sie das denkmalgeschützte Gebäude in ein Restaurant. „Der Turm ist jetzt eingebunden ins Leben“, freut sich Kreusch. Ein Ort der Begegnung, wie schon vor mehr als 200 Jahren.

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