Eine Chance den Chancenlosen

TRIER. Viele von ihnen haben die Schule abgebrochen, keinen Beruf erlernt, andere sind gesundheitlich beeinträchtigt oder vorbestraft. Allen Teilnehmern von "Trier sauwer" ist jedoch eines gemein: sie stehen seit langen auf der Straße, ohne Hoffnung auf einen Job.

 Vielleicht seine letzte Chance: Erich bei der Arbeit im Bürgerservice.Foto: Peter Hacker

Vielleicht seine letzte Chance: Erich bei der Arbeit im Bürgerservice.Foto: Peter Hacker

Erich kneift die Augen zusammen. Gewissenhaft schraubt er den Kleiderhaken an das Holzbrett. Ein kurzes Rütteln - fest. Zufrieden greift er sich den nächsten Haken. Zusammen mit einigen anderen Männern überholt Erich in der Werkstatt der Bürgerservice gGmbH Garderobenbänke aus einer Trierer Schule. Eine Arbeit, die sich die Stadt ohne Männer wie ihn kaum leisten könnte. Der 40-jährige gelernte Fräser ist seit zwei Jahren arbeitslos. Seit langem ist er durch eine Krankheit gesundheitlich beeinträchtigt - "das ist auf dem ersten Arbeitsmarkt ein Minus", sagt Erich, der seinen Nachnamen nicht nennen will.Wer nicht kommt, verliert den Anspruch

Er ist einer von mehreren hundert Sozialhilfeempfängern in Trier, die von der Amtssprache als "leistungseingeschränkt" betitelt werden. Das heißt, sie sind zwar arbeitslos und könnten sich generell um eine Arbeit bemühen, sind aber aufgrund von gesundheitlichen oder Ausbildungs-Defiziten kaum vermittelbar. Selbst Vermittlungs-Programme wie "Hilfe zur Arbeit" kommen für sie nicht mehr in Frage.Das Projekt "Trier sauwer", das inzwischen seit einem Jahr läuft, soll ihnen nun eine Perspektive eröffnen - und spart der Stadt, quasi als Nebeneffekt - eine Stange Geld. Denn wer sich auf die Aufforderung des Sozialamtes hin, bei "Trier sauwer" mitzumachen, nicht beim Bürgerservice meldet, verliert seinen Anspruch auf Sozialhilfe.Von den knapp 200 bis Ende vergangenen Jahres angesprochenen Sozialhilfeempfängern erschienen etwa 60 Prozent zum "Erstgespräch" beim Bürgerservice. Die übrigen zogen es vor, auf die Sozialhilfe zu verzichten.Doch nicht nur diese Zahl ist es, die Sozialdezernent Georg Bernarding (CDU) von einem "Erfolg" des Projekts sprechen lässt. "Es ist uns gelungen, weiter zu kommen in der Analyse der Struktur der Arbeitslosigkeit", sagt Bernarding. Im Klartext bedeutet das: viele arbeitslose Sozialhilfeempfänger sind jünger als 25 Jahre, hatten meist noch nie einen festen Job und besitzen oft nicht einmal einen Führerschein. "Gerade den jungen Menschen wollen wir eine Hilfestellung geben", sagt der Sozialdezernent.Fehlender Führerschein ist "Killerkriterium"

Eine fehlende Fahrerlaubnis sei heutzutage ein "Killerkriterium" auf dem Arbeitsmarkt, sagt Herbert Schacherer, Leiter des Sozialen Dienstes beim Bürgerservice. Deshalb biete "Trier sauwer" unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Führerschein zu machen.Doch zu allererst soll das Projekt gewisse Grundvoraussetzungen des Arbeitsalltags einüben: jeden Morgen aufstehen, einen ganzen Tag lang arbeiten - in der Werkstatt, auf Spielplätzen oder in Grünanlagen. "Für einige ist es schon ein Riesenerfolg, wenn sie das schaffen", sagt Sascha Kremer, der Koordinator der Aktion. Der Krankenstand von durchschnittlich 40 Prozent spreche für sich."Einige Teilnehmer sehen die Arbeit als Zumutung, viele aber auch als Sprungbrett", fügt er hinzu. Nach Kremers Angaben konnte vier Sozialhilfe-Empfängern während oder nach ihrer Mitarbeit bei "Trier sauwer" ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz vermittelt werden. Ein weiteres Dutzend erhielt befristete Verträge beim Bürgerservice selbst.Auf einen solchen Vertrag hofft auch Erich. "Ich finde das in Ordnung, dass hier Langzeit-Arbeitslose noch einmal eine Chance bekommen", sagt er. Das klingt, als hätte es ihm jemand beigebracht. Doch seine leuchtenden Augen zeigen, dass er auch denkt, was er sagt. Für ihn ist "Trier sauwer" eine Chance - vielleicht sogar die letzte.

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